Pistorius will mit "Auswahlwehrdienst" mehr Soldaten gewinnen

Pistorius will mit "Auswahlwehrdienst" mehr Soldaten gewinnen
Die Bundeswehr hat zu wenig Personal. Verteidigungsminister Pistorius will zwar nicht zurück zur alten Wehrpflicht, künftig aber nicht nur auf Freiwilligkeit setzen. Junge Männer sollen sich künftig zumindest zum Dienst im Militär erklären müssen.

Berlin (epd). 13 Jahre nach dem Aussetzen der allgemeinen Wehrpflicht will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Personalgewinnung für die Bundeswehr nicht mehr allein dem Prinzip der Freiwilligkeit überlassen. Pistorius stellte am Mittwoch in Berlin seine Pläne für einen neuen Wehrdienst vor. Sie sehen vor, dass sich 18-jährige Männer künftig dazu erklären müssen, ob sie bereit sind, in der Bundeswehr zu dienen. Pistorius erhofft sich, dadurch anfangs pro Jahr 5.000 neue Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen. Auch Frauen sollen einen Fragebogen erhalten, zur Antwort aber nicht verpflichtet werden.

Die deutsche Truppe schrumpft derzeit, was Pistorius Sorgen macht. Die aktuelle Bedrohungslage sei eine völlig andere als noch vor ein paar Jahren, sagte er mit Verweis auf Russlands Krieg gegen die Ukraine. Man müsse den Personalaufwuchs hinbekommen. Zur alten Wehrpflicht, bei der pro Jahr mehrere Hunderttausend junge Männer gemustert wurden, will Pistorius aber nicht zurück - und kann es nach eigenen Worten auch nicht.

Die Kapazitäten seien dafür nicht vorhanden, sagte der Minister. Zudem habe er das Ziel, die „fittesten, geeignetsten und motiviertesten“ jungen Menschen für die Bundeswehr zu verpflichten. Der neue Wehrdienst, den er „Auswahlwehrdienst“ nannte, solle sinnstiftend und mit Qualifikationen versehen sein.

Sein Modell sieht vor, dass künftig alle jungen Männer zum 18. Geburtstag online einen Fragebogen bekommen, der unter anderem die Frage enthält, ob sie bereit sind, Soldat zu werden. Die Beantwortung soll verpflichtend sein. Rund 400.000 junge Männer würden laut Pistorius pro Jahr angeschrieben. Er rechnet nach eigenen Angaben damit, dass rund ein Viertel der Angeschriebenen, also 100.000 Männer, ihre Bereitschaft erklären.

Von ihnen sollen rund 40.000 bis 50.000 zur Musterung kommen - auch dies verpflichtend. Rund 5.000 junge Männer sollen dann anfangs pro Jahr zusätzlich zu den aktuell rund 10.000 freiwillig Wehrdienstleistenden jährlich eingezogen werden. Später sollen es mehr werden, wenn die Ausbildungskapazitäten vorhanden sind, wie der Minister erklärte. Das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bleibt laut Pistorius erhalten. Auch wer anfangs sein Interesse für die Bundeswehr signalisiert und bei der Musterung ausgewählt wird, muss damit nicht zwingend den Dienst an der Waffe antreten.

Junge Frauen müssen nicht antworten, weil die im Grundgesetz festgehaltene und derzeit ausgesetzte Wehrpflicht nur Männer vorsieht, wie Pistorius erläuterte. Er will den neuen Wehrdienst über die Änderung einfacher Gesetze noch in dieser Wahlperiode einführen. Eine Grundgesetzänderung, die für eine Verpflichtung von Frauen oder sogar eine allgemeine Dienstpflicht vonnöten wäre, benötige nach aller Erfahrung zu viel Zeit, sagte er mit Verweis auf die im kommenden Jahr anstehende Bundestagswahl.

Für die anfangs 5.000 neuen Wehrdienstleistenden pro Jahr rechnet Pistorius mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Der künftige Grundwehrdienst nach diesem Modell soll künftig mindestens sechs Monate dauern, Pistorius hofft aber, dass sich die meisten Freiwiligen für mindestens ein Jahr verpflichten. Der Wehrdienst dauert allgemein bis zu 23 Monate.

Pistorius verfolgt das Ziel, bis 2031 die Zahl der Soldatinnen und Soldaten auf mindestens 203.000 zu erhöhen und eine Reserve mit bis zu 260.000 Frauen und Männern zu bilden. Derzeit dienen rund 181.500 Soldatinnen und Soldaten im deutschen Militär, hinzu kommen knapp 81.000 zivil Beschäftigte. Die Zahl der Reservisten liegt aktuell bei rund 60.000. Sie soll auf möglichst auf 200.000 steigen.