Frankfurt a.M. (epd). Die Besatzung des Aufklärungsflugzeugs „Seabird 2“ hat zwölf im Mittelmeer treibende Leichen gesichtet. Elf von ihnen habe die Crew am Freitag vor der libyschen Küste gesehen, eine weitere am Samstag, erklärte die Rettungsorganisation Sea-Watch, die das Flugzeug betreibt, am Samstag. „Es ist zu vermuten, dass die Toten Opfer eines bislang unentdeckten Schiffbruchs wurden.“
Das Schiff „Geo Barents“ von „Ärzte ohne Grenzen“ hatte am Freitag auf den Hinweis der „Seabird“-Crew hin elf Leichen geborgen. Davor hatte die Besatzung insgesamt 165 Menschen aus zwei Booten in Seenot an Bord genommen, die es nun auf Anweisung Italiens zum weit entfernten Hafen von Genua bringen müsse. Noch sei unklar, ob es sich bei den geborgenen Leichen um die elf von der „Seabird“-Crew gesichteten Toten handelt, erklärte Sea-Watch. Unsicher sei auch, wie viele weitere Leichen sich noch in dem Gebiet befinden. Sea-Watch rief die zuständigen Behörden zu einer großflächigen Suchaktion auf.
Die elf Leichen wurden unterdessen auf die Insel Lampedusa gebracht. Der Bürgermeister der Insel, Filippo Mannino, kritisierte nach Berichten der Nachrichtenagentur Ansa die Entscheidung der Behörden. Er verstehe nicht, mit welcher Logik die Ausschiffung beschlossen wurde, obwohl bekannt sei, dass die Kapazitäten der Leichenhalle begrenzt seien. Diese Toten ausgerechnet zum Zeitpunkt der EU-Wahl kämen einer Ohrfeige ins Gesicht Europas gleich, das zu lange die Augen vor dem Problem verschlossen habe. Derweil sucht die Verwaltung der sizilianischen Stadt Agrigent laut der Agentur ADN Kronos nach freien Plätzen auf den Friedhöfen ihrer Region, um die Leichen dort beizusetzen.
Das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben 2023 mindestens 3.155 Menschen beim Versuch, über diesen Weg Europa zu erreichen. In diesem Jahr waren es demnach mindestens 923, wobei eine hohe Dunkelziffer vermutet wird.
Es gibt keine staatlich organisierte Hilfe für Geflüchtete in Seenot. Lediglich private Initiativen halten nach ihnen Ausschau. Malta nimmt seit Jahren keine von den Organisationen geretteten Menschen auf, Italien behindert ihre Arbeit durch restriktive Gesetze und das Zuweisen weit entfernter Häfen. Anfang Mai erließt die Flugaufsichtsbehörde zudem ein Verbot für Aufklärungsflüge von nichtstaatlichen Organisationen auf dem Mittelmeer. Trotz der Gefahr einer Festsetzung des Flugzeugs habe sich Sea-Watch für eine Fortsetzung der Flüge entschieden.