Nürnberg (epd). Die Migrationsforscherin Yuliya Kosyakova geht davon aus, dass es Jahre dauern wird, bis ein Großteil der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hierzulande Arbeit gefunden haben. „Wer ohne jegliche Deutschkenntnisse und oft auch ohne Unterlagen zur Ausbildung oder zum Studium flieht, hat es besonders schwer. Das muss in jeder Bewertung ihrer Integration in den Arbeitsmarkt berücksichtigt werden“, sagte die Bereichsleiterin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vor allem Frauen mit kleinen Kindern, die die Mehrzahl der Geflüchteten ausmachten, hätten es wegen oft fehlender Betreuungsangebote schwer, passende Jobs zu finden.
Für eine umfassende Beurteilung der Jobintegration sei es noch zu früh. Erst wenn man einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren betrachten könne, lasse sich detailliert analysieren, „wie viele der Geflüchteten tatsächlich Arbeit gefunden haben, wie ihre Arbeitszeiten aussehen und in welchen Branchen sie tätig sind“.
Kosyakova betonte zugleich, dass es Fortschritte bei der Arbeitsaufnahme gebe. „Im Frühjahr 2023 waren 19 Prozent der Geflüchteten erwerbstätig, im Sommer stieg dieser Anteil um weitere vier Prozentpunkte.“ Vorläufige Ergebnisse deuteten auf eine fortlaufende Verbesserung der Erwerbsquoten hin, insbesondere bei denen, die unmittelbar nach Kriegsausbruch nach Deutschland kamen.
Laut der Forscherin, die auch eine Professur in Bamberg hat, sind die Probleme der Kinderbetreuung bei arbeitswilligen Ukrainerinnen oft nicht schnell lösbar. „Zwar gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz ab drei Jahren, doch ist es oft schwierig, Betreuungsplätze für die Kinder zu finden. Unser System muss in vielerlei Hinsicht verbessert werden.“ Ein weiteres Problem sei die Betreuung von Grundschulkindern am Nachmittag, weil auch die Horte häufig voll sind. Kosyakova: „Das zwingt viele Frauen dazu, sich auf Halbtagsjobs zu beschränken, was zusätzlichen Stress bedeutet.“
Die Expertin betonte weiter: „Es ist entscheidend, dass die Unterlagen zur Qualifikation vorhanden sind und idealerweise auch Berufserfahrung nachgewiesen werden kann. Ohne diese Nachweise ist der Zugang zu regulierten Berufen und beruflicher Aufstieg nicht möglich.“
Kosyakova appellierte an die Unternehmen, offener gegenüber Geflüchteten zu sein. „Sie sollten den Fokus weniger allein auf deutsche Sprachkenntnisse legen.“ Und sie sollten mehr Praktikumsplätze schaffen, um den Geflüchteten eine berufliche Orientierung zu ermöglichen. Mit Blick auf das Fehlen von Nachweisen der Qualifikation sei es „sinnvoll, Bewertungsverfahren wie Kompetenztests zu entwickeln, die Qualifikationen und Berufserfahrungen jenseits traditioneller Zertifikate zu prüfen“.