Menschenrechtlerin Scherbakowa: Kaum Hoffnung auf Wandel in Russland

Menschenrechtlerin Scherbakowa: Kaum Hoffnung auf Wandel in Russland

Erfurt (epd). Die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hat derzeit kaum Hoffnung auf eine demokratische Zukunft für Russland. Wenn Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine gewinne, gebe es keine Chance für Veränderung in ihrer Heimat, sagte die Mitbegründerin der seit 2022 in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation Memorial am Donnerstag auf dem 103. Deutschen Katholikentag in Erfurt: „Putin verkündet den ewigen Krieg.“

Russland sei ein Negativ-Beispiel dafür, wenn ein Land sich von der Demokratie absagt, so Scherbakowa: „Die Zeit ist tragisch.“ Man habe viel Zeit und den Kampf um Menschenrechte in Russland verloren. In vielen Ländern drohe zurzeit Gefahr durch populistische Kräfte, ob von links oder rechts. Es sei gefährlich, wenn die Menschen ihren Glauben an die Institutionen verlieren. Daher sei es so wichtig, dass der Westen kritische Menschen in Russland unterstützen, die gegen den Krieg in der Ukraine eingestellt sind.

Menschenrechtler hätten seit Langem vor den wahren Absichten Putins gewarnt, fügte Scherbakowa hinzu. Es gebe ihr etwas Hoffnung, dass sich der Westen in den vergangenen zwei Jahren von seinen Illusionen befreit habe, was das Putin-Regime angeht. Putin führe Krieg gegen die aus seiner Sicht „verruchten westlichen Werte“. So sei das Wort Frieden in Russland inzwischen bei offiziellen Anlässen verboten.

Scherbakowa kritisierte zudem die Russische Orthodoxe Kirche. Sie habe in der russischen Gesellschaft eine „schlechte Rolle“ gespielt und tue dies auch gegenwärtig, indem sie sich auf die Seite des Staates stelle. Sie habe keine Lehre aus der Geschichte gezogen. Der Moskauer Patriarch Kyrill, Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche, hat mehrmals den russischen Überfall auf die Ukraine nicht nur gutgeheißen, sondern mit theologischen Argumenten legitimiert.

Die Internationale Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge - kurz Memorial International - wurde Anfang 1989 in der damaligen Sowjetunion gegründet und 2022 verboten. Für ihre Arbeit wurde der Organisation im selben Jahr der Friedensnobelpreis zuerkannt. Scherbakowa selbst verließ ihr Heimatland 2022.

Das Christentreffen in Thüringens Landeshauptstadt war am Mittwochabend unter Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet worden. An den 500 Veranstaltungen des Katholikentages in Erfurt wollen bis Sonntag rund 20.000 Christen teilnehmen.