Einsamkeit und Corona: Es ist noch nicht wieder gut

Einsamkeit und Corona: Es ist noch nicht wieder gut
Die Bundesregierung will mehr unternehmen, um Einsamkeit und die negativen gesundheitlichen und sozialen Folgen zu bekämpfen. Einsamkeitsgefühle sind nach der Corona-Pandemie stärker als zuvor und betreffen viel mehr junge Menschen.

Berlin (epd). In vielen Bereichen wirkte die Corona-Pandemie wie ein Brennglas: Sie zeigte und vergrößerte Probleme, die schon da waren. Beim Thema Einsamkeit ist das offenbar anders. Dem „Einsamkeitsbarometer“ zufolge, das Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Donnerstag in Berlin vorstellte, war Deutschland auf einem guten Weg - bis die Pandemie kam.

Im ersten Corona-Jahr 2020 mit seinen Lockdowns und Kontaktverboten schnellte die Einsamkeitsquote danach um 20 Prozentpunkte nach oben. Junge Erwachsene litten stärker als die alten Menschen, die im Langzeitschnitt die Statistik der Einsamkeit anführen. Zwischen Anfang der 1990er und Ende der 2020er Jahre waren die Einsamkeitswerte hingegen rückläufig gewesen, wie aus der Datenerhebung hervorgeht.

Dem „Einsamkeitsbarometer 2024“ zufolge pendelten sich die Belastungen 2021 auf einem Niveau von rund elf Prozent ein, deutlich höher als vor Corona (rund acht Prozent), zugleich aber sehr viel niedriger als im ersten Pandemiejahr 2020. Für rund 28 Prozent der über 18-Jährigen war das erste Corona-Jahr mit seinen Lockdowns und Kontaktverboten ein sehr einsames Jahr.

Identische Trends hatte eine vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) am Mittwoch veröffentlichte Studie festgestellt, deren Daten bis Anfang 2023 reichen, während die jüngsten Daten für das Einsamkeitsbarometer der Regierung 2021 erhoben wurden. Das Bundesinstitut hatte erklärt, es zeichne sich eine „Tendenz zur Chronifizierung“ der Einsamkeitsgefühle ab.

Familienministerin Paus warnte ihrerseits: „Wir dürfen nicht die Augen verschließen vor sozialem Long Covid“. Die Bundesregierung hat Ende 2023 einen gemeinsamen Plan beschlossen, der alle Ressorts in Maßnahmen gegen Einsamkeit einbinden soll. Im eigenen Etat stehen Paus noch bis Ende 2025 insgesamt 70 Millionen Euro zur Verfügung. Zwei Programme für alte Menschen, aus denen 35 Kommunen Unterstützung erhalten, werden aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert.

Paus sagte, Einsamkeit sei ein drängendes Problem mit gesundheitlichen und sozialen Folgen und schade der Gesellschaft. Einsame Menschen nähmen beispielsweise seltener an Wahlen teil. Das Einsamkeitsbarometer zeigt, dass sie ein geringeres Interesse an Politik haben und ein um 8 bis 13 Prozent geringeres Vertrauen in Institutionen wie den Bundestag, die Parteien oder das Rechtssystem.

Risikogruppen für Einsamkeit sind Menschen mit hohen Belastungen und wenig Unterstützung: pflegende Angehörige oder Alleinerziehende, Arbeitslose, Arme und sozial benachteiligte Menschen. Seit Corona gehören mehr junge Erwachsene, Jugendliche und Kinder dazu. „Die Pandemie war etwas sehr Einschneidendes“, sagte Paus. Die Folgen von Einsamkeit für die Gesundheit sind ebenfalls vielfältig und erheblich. Die Weltgesundheitsorganisation vergleicht sie mit den Folgen des Rauchens, der Fettleibigkeit oder von Luftverschmutzung.

Für das Einsamkeitsbarometer werteten Forscherinnen und Forscher des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Daten aus der Langzeitstatistik des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus, die zwischen 1992 und 2021 erhoben wurden. Das SOEP ist die größte, repräsentative Wiederholungsbefragung von Privathaushalten in Deutschland. Das „Einsamkeitsbarometer“ ist Teil der im Dezember 2023 beschlossenen Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung, mit der sie das Thema aus der Tabuzone holen will. Vom 17. Juni bis zum 23. Juni findet die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ statt.