Berlin (epd). Mit ihrem Rentenpaket II stößt die Ampel-Regierung vor allem auf Kritik. Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), den das Kabinett am Mittwoch in Berlin billigte, sieht vor, die gesetzlichen Renten von Mitte der 2030er Jahre an auch über Kapitalmarkt-Erträge zu finanzieren. Das Rentenniveau wird bis 2039 bei 48 Prozent stabilisiert, damit die Altersbezüge der rund 22 Millionen Rentnerinnen und Rentnern nicht hinter der Entwicklung der Durchschnittseinkommen zurückbleiben. Opposition und Verbände kritisierten die Reform als ungerecht oder wirkungslos.
Heil und Lindner, die das Paket im März gemeinsam vorgestellt hatten, nahmen nach der Verabschiedung getrennt Stellung zu dem Kabinettsbeschluss. Er hatte sich durch Streit um die Rentenpolitik zwischen den beiden Koalitionspartnern verzögert. Im Zuge der Verhandlungen für den Bundeshaushalt 2025 hatte die FDP Einsparungen bei den Sozialausgaben und auch bei der Rente verlangt. Heil und Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatten die Forderungen nach einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters und Abschaffung der sogenannten Rente mit 63 zurückgewiesen.
Das Generationenkapital soll den Anstieg der Rentenbeiträge um 0,3 Prozentpunkte bremsen. Bis voraussichtlich 2027 beträgt der Beitrag noch 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens. Beschäftigte und Unternehmen zahlen je die Hälfte. Bis Mitte der 2030er Jahre steigt der Rentenbeitrag dann aber wegen der Alterung der Gesellschaft auf mehr als 22 Prozent.
Lindner betonte nach dem Kabinettsbeschluss, das Rentenpaket II sei nur ein Vorläufer von einem Rentenpaket III, IV oder V. Die Einführung des Generationenkapitals sei zwar „ein guter Tag für die Rente“, doch brauche es weitere Anstrengungen, um die Rentenbeiträge in den 2030er Jahren zu begrenzen. Weder dürften Menschen Angst vor dem Alter haben, noch dürften die Jüngeren überlastet werden, sagte er.
Arbeitsminister Heil erklärte, die gesetzliche Rente bleibe das Fundament der Alterssicherung. Es gehe um Leistungsgerechtigkeit nach einem langen Arbeitsleben. Er nannte ein Beispiel: Ohne die Reform würde eine heute 49-jährige Krankenpflegerin aus Sachsen, die 2040 mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente ginge, 1.100 Euro im Jahr weniger zur Verfügung haben, sagte Heil. Die Regierung mache aber die Reform nicht nur für die Rentner und Rentnerinnen, sondern auch für die Menschen, die arbeiten und Beiträge zahlen, betonte er.
Dem Gesetzentwurf zufolge würde das Rentenniveau ohne die Reform in den kommenden 15 Jahren auf 45 Prozent sinken. Aktuell liegt es bei 48,1 Prozent. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer Standardrente zum aktuellen Durchschnittseinkommen. Für das Generationenkapital nimmt der Bund bis 2035 Darlehen bis zu 200 Milliarden Euro auf, dieses Jahr erstmals zwölf Milliarden Euro. Von 2036 an sollen jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro aus den Kapital-Erträgen in die Rentenversicherung fließen.
Die Union warf der Ampel-Koalition vor, den Generationenvertrag in der Rente aufzukündigen. Der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Stephan Stracke (CSU) kritisierte, das von der FDP durchgesetzte Generationenkapital werde die „massiven Beitragssteigerungen“ nicht auffangen. Das Rentenpaket II bedeute für Beschäftigte und Unternehmen in den kommenden 15 Jahren Mehrbelastungen von 300 Milliarden Euro, kritisierte Stracke.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagte dem Fernsehsender ntv, die Ampel-Regierung setze falsche Prioritäten. Der Staat nehme Kredite für die Aktienrente auf und investiere damit in internationale Unternehmen. Für Bildung und eine gute Infrastruktur in Deutschland wolle die Regierung aber keine Schulden machen.
Der Paritätische, der Sozialverband VdK, ver.di und die Linke forderten ein Rentenniveau von mehr als 50 Prozent. Übereinstimmend erklärten sie, das von der Ampel-Koalition vorgelegte Paket biete keine Absicherung gegen Altersarmut.