Angesichts der "superreichen Egomanen", die derzeit in den USA die Politik bestimmten und Religion für ihre Zwecke missbrauchten, müsse man darüber nachdenken, wie man "christliche Werte wie Demut, Nächstenliebe, Frieden und Gerechtigkeit aktualisieren" könne, sagt Religionssoziologe Detlev Pollack dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Durch die öffentliche Debatte der Missbrauchsfälle sei das Vertrauen in die Kirchen in Deutschland "auf ein bislang nicht erreichtes Tief gefallen", sagt Pollack. Das zeige sich in einem Mitgliederschwund, der sich in den nächsten Jahrzehnten noch beschleunigen werde. Der Theologe diskutiert am 5. Februar in der Evangelischen Stadtakademie München mit Lars Castellucci, dem religionspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, über die Frage "Was fehlt dem Staat, wenn die Kirchen schrumpfen?".
Die Kirchen leisteten aber als Träger von Kitas und Pflegeheimen, in der Flüchtlingshilfe, der Bildungsarbeit und dem kulturellen Leben "viel Gutes" und stärkten Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt. "Das wird angesichts der in der Öffentlichkeit dominierenden Missbrauchsdiskussion oft übersehen", so der Forscher.
Das geflügelte Wort vom "christlichen Abendland" verweise darauf, dass die westliche Kultur sowohl von christlichen Traditionslinien als auch von einer kritischen Abwehr gegen das Christentum bestimmt sei. Beides habe die moderne Welt geprägt: die Wertschätzung spiritueller Bewegungen seit den Mystikern des Mittelalters, aber auch die religionskritischen Impulse durch Aufklärung, Darwinismus und Liberalismus. "Wir sollten dieses christliche Erbe, von dem wir zehren, nicht geringachten", betont Pollack.
Der Gesprächsabend "Was fehlt dem Staat, wenn die Kirchen schrumpfen?" mit Lars Castellucci, religionspolitscher Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, und Detlef Pollack, Religionssoziologe an der Universität Münster, beginnt am Donnerstag, 5. Februar, um 19 Uhr in der Evangelischen Stadtakademie München.