Pädagoge Khorchide: Forderung nach Kalifat ist inhaltsleer

Pädagoge Khorchide: Forderung nach Kalifat ist inhaltsleer

Frankfurt a.M. (epd). Demonstranten, die ein Kalifat fordern, streben nach Einschätzung des Religionspädagogen Mouhanad Khorchide überwiegend gar nicht diese autoritäre Staatsform an. Die Forderung sei „ausgehöhlt von allem Inhalt“ und diene als Kampfansage an den Westen allgemein, sagte Khorchide dem in Frankfurt am Main erscheinenden Magazin „chrismon“ in einem am Mittwoch online erschienenen Interview.

Er habe bei ähnlichen Demonstrationen mit jungen Leuten dort gesprochen, sagte Khorchide. Auf seine Frage, warum sie demonstrierten, hätten sie geantwortet, sie seien gegen die Diskriminierung gegen den Westen. Auf Khorchides Gegenfrage, was das mit dem Kalifat zu tun habe, hätten sie geantwortet, dass sie keine Ahnung hätten, was genau das sei.

Der Religionspädagoge aus Münster sagte: „Es geht dabei nicht um konkrete Forderungen, sondern um: Wir sind gegen den Westen, die Demokratie, die Mehrheitsgesellschaften in Europa.“ Die Frage, was stattdessen konkret kommen solle, spiele keine Rolle.

Am 27. April hatten in Hamburg rund 1.000 Menschen für die Organisation „Muslim interaktiv“ demonstriert und dabei ein Kalifat gefordert. Die Organisation gehört nach Khorchides Angaben zur radikalen Gruppe Hizb ut-tahrir („Partei der Befreiuung“). Anders als salafistische Gruppen werde sie kaum durch islamische Regime finanziert, weil Hizb ut-tahrir diese Regime als illegitim bezeichne. Daher sei die Gruppe bislang erfolglos gewesen. Die sozialen Medien hätten dies geändert, sagte Khorchide: „Ihr Erfolg geht maßgeblich auf TikTok und Instagram zurück.“

Die Gesellschaft könne hier gegensteuern, indem sie jungen Menschen das Gefühl gebe, dass sie sich innerhalb dieser Gesellschaft entfalten könnten, sagte Khorchide. In einem islamischen Religionsunterricht oder in Fächern politischer Bildung könnten Jugendliche lernen, ihre Anliegen innerhalb des demokratischen Systems vorzubringen anstatt gegen es. „Und wir brauchen gute, demokratiefördernde Angebote online, in den Sozialen Medien, und zwar in sehr großer Zahl“, sagte er.