Georgsmarienhütte (epd). Die evangelische Kirchengemeinde Georgsmarienhütte hat die hannoversche Landeskirche für deren Umgang mit Missbrauchsfällen in der Gemeinde scharf kritisiert. Sie bewerte die Zusammenarbeit mit der Landeskirche bei der Aufklärung der Fälle von sexualisierter Gewalt in den 1970er Jahren als mangelhaft, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Brief von Kirchenvorstand und Pastor Nils Donadell. Die Landeskirche habe keine Unterstützung geleistet und interessiere sich nach wie vor nicht für die Erfahrung der Gemeinde. Der Umgang mit der Betroffenen sei bis heute unpersönlich und unangemessen. Landesbischof Ralf Meister zeigte sich bestürzt über die Vorwürfe.
Kirchenvorstand und Donadell beziehen sich auf die Missbrauchsfälle durch einen angehenden Diakon in der Kirchengemeinde Oesede in den 1970er Jahren. Oesede gehört inzwischen zur Gemeinde Georgsmarienhütte. Die unter dem Pseudonym Lisa Meyer auftretende Betroffene hatte die Fälle 2021 öffentlich gemacht. Die Gemeinde hatte daraufhin gemeinsam mit dem Kirchenkreis und Meyer deren Fall aufgearbeitet, bevor eine wissenschaftliche Kommission diesen und weitere Fälle untersuchte.
Die Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse im Februar präsentierten, machten deutlich, dass der damalige Pfarrer die Taten sowie von Eltern geäußerte Verdächtigungen vertuscht und somit weitere Verbrechen begünstigt habe. Die Landeskirche habe es 2010, als sie erstmals Kenntnis von den Taten erhielt, versäumt, diese aufzuarbeiten und bekannt zu machen. Auch in den Jahren seit 2020, als sie erneut mit dem Fall befasst gewesen sei, habe die Landeskirche Fehler gemacht.
Meister sagte, er habe die Stellungnahme „mit einiger Bestürzung gelesen“. Er habe dem Kirchenvorstand ein Gespräch angeboten. „Wir müssen gemeinsam beraten, wie Landeskirche und Kirchengemeinde künftig verlässlicher zusammenarbeiten können im Sinn der Betroffenen.“ Auch der Osnabrücker Regionalbischof Friedrich Selter betonte, ein direkter Austausch sei jetzt wichtig. „Wir erkennen eigene Fehler und Aufgabenstellungen, an denen wir intensiv arbeiten. Dass es letztlich immer um die von schwerem Unrecht betroffenen Menschen in Oesede geht, steht für uns bei allem im Mittelpunkt.“
Donadell und der KV-Vorsitzende Philipp Mamat werfen dem Landesbischof vor, sein Eingeständnis nach Veröffentlichung der Studie, er habe Fehler im Umgang mit der Betroffenen Lisa Meyer gemacht, sei deutlich zu spät gekommen. „Richtungsweisende Änderungen“ seines Verhaltens seien bis heute nicht erkennbar. Meister hätte sich persönlich mit Meyer treffen sollen. „Ansonsten bleiben Bitten um Entschuldigung und Betroffenheitserklärungen leer und wertlos.“ Es sei wichtig, anzuerkennen, dass die Betroffenen und nicht die Kirche den Fortgang und die Geschwindigkeit des Aufarbeitungsprozesses bestimmten.
Dass der Täter und auch der in den 1970er Jahren zuständige Pastor gestorben seien, ohne dass es zu einer Konfrontation mit ihrer Schuld gekommen sei, sei schwer erträglich, heißt es in dem Schreiben. „Es ist eindeutig das Versäumnis des 2010 amtierenden Landessuperintendenten und der Landeskirche.“ Diese Schuld sei bis heute nicht konkret benannt worden.
Die Unterzeichner fordern darüber hinaus, Betroffene insgesamt „deutlich besser und transparenter zu entschädigen“. In den Gemeinden und Kirchenkreisen seien mehr Ressourcen notwendig, um die nun verordneten und notwendigen Schutzkonzepte zu installieren. „Wir hoffen, mit dieser Stellungnahme allen Betroffenen ein klares Signal zu geben, dass wir ihr Leid und ihre Anliegen sehen.“