Berlin (epd). Zum 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes hat der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Michael Gerber, den Neuanfang Deutschlands nach 1945 als „unverdientes Geschenk“ bezeichnet. Der katholische Fuldaer Bischof sagte im ökumenischen Gottesdienst zum Auftakt der Verfassungs-Feierlichkeiten am Donnerstag in der Berliner St. Marienkirche: „Angesichts des unsagbaren Grauens, das Deutsche unmittelbar zuvor verübt hatten“ sei die Chance eines Neuanfangs „alles andere als selbstverständlich“ gewesen.
Die Verfassung sei nicht denkbar ohne einen kritischen Blick auf die eigene Geschichte, sagte Gerber. Deutschland stehe dabei vor einer besonderen Verantwortung. Bald würden die letzten Stimmen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des NS-Schreckens für immer verstummen, und zum ersten Mal wachse eine Generation junger Menschen ohne den Kontakt zu diesen Zeitzeugen auf, sagte Gerber.
An dem Gottesdienst nahmen unter anderem Personen des öffentlichen Lebens, Bundesabgeordnete sowie die Spitzen der Verfassungsorgane wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil. Neben Gerber, der die Predigt hielt, kamen auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Religionen zu Wort.
Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, rief dazu auf, in einem „Demokratiesommer 2024“ die Vision der Väter und Mütter des Grundgesetzes aufrechtzuerhalten. Sie griff damit einen Aufruf der Ministerpräsidenten der Bundesländer auf.
Am Mittag sollte der Staatsakt beginnen, den Bundespräsident Steinmeier anlässlich des Verfassungsjubiläums angeordnet hat. Von Freitag bis Sonntagabend ist rund um Kanzleramt und Bundestag ein Demokratiefest für alle Bürgerinnen und Bürger geplant.
Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 in Bonn feierlich verkündet und trat danach in Kraft. Es war im Auftrag der westlichen Besatzungsmächte vom Parlamentarischen Rat erarbeitet und von den Alliierten gebilligt worden.