Köln (epd). Nach Einschätzung der Buchautorin Katharina Nocun ist die „Reichsbürger“-Ideologie deswegen für viele Menschen attraktiv, weil damit sehr starke Feindbilder verbunden sind. „Das heißt, der Staat, Vertreter des Staates, werden als feindlich wahrgenommen und gleichzeitig wird den Menschen eine Erzählung präsentiert, wonach es heißt, du kannst dich als souverän erklären“, sagte Nocun am Mittwoch im Deutschlandfunk. Es gebe Leute im „Reichsbürger“-Milieu, die keine Steuern zahlten und wenn der Gerichtsvollzieher vor dem Haus stehe, werde eine Schusswaffe aus dem Schrank genommen, weil man die Staatsgewalt nicht als legitimen Vertreter ansehe, um Recht durchzusetzen.
Am Dienstag hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt das zweite von drei Staatsschutzverfahren gegen die mutmaßliche Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen. Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die Planung einer „hochverräterischen Unternehmung“ sowie Verstöße gegen das Waffengesetz werden den sechs Männern und drei Frauen vorgeworfen.
Nocun, die Expertin für Verschwörungserzählungen ist, sagte, dass für einige Menschen die „Reichsbürger“-Ideologie attraktiv sei, weil sie einem das Gefühl gebe, man erlange eine persönliche Aufwertung: Man kenne einen geheimen Plan, man sei vielleicht Teil einer zukünftigen Regierung. „Gleichzeitig bieten Verschwörungserzählungen Menschen auch die Illusion von Kontrolle.“
Die Bereitschaft zur Gewalt in der Szene rühre daher, dass Menschen, die Verschwörungserzählungen folgten, an ein dualistischen Weltbild glaubten. „Die Welt ist in schwarz und weiß, in Gut und Böse eingeteilt.“ Deswegen glaubten Reichsbürger auch, dass es legitim sei, gegen das absolut Böse Gewalt anzuwenden.