Frankfurt a.M. (epd). Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hat am Dienstag das zweite von drei Staatsschutzverfahren gegen die mutmaßliche Terrorgruppe um Prinz Reuß begonnen. Knapp 140 Minuten dauerte es, bis Oberstaatsanwalt Tobias Engelstetter die Anklage verlesen hatte. Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die Planung einer „hochverräterischen Unternehmung“ sowie Verstöße gegen das Waffengesetz werden den sechs Männern und drei Frauen vorgeworfen. Für den gewaltsamen Sturz des politischen Systems hätten sie Gewalt und Tote bewusst in Kauf genommen.
Der erste Prozesstag hatte am Morgen mit einer Stunde Verspätung begonnen. Heinrich XIII. Prinz Reuß sowie acht weitere Angeklagte waren einzeln in den Gerichtssaal geführt worden, niemand trug dabei Handschellen.
Engelstetter beschrieb bei der Anklageverlesung detailliert Treffen der Angeklagten, den Aufbau einer neuen Organisation, die das bestehende politische System ersetzen sollte, Geldzahlungen und Kommunikationswege. Prinz Reuß etwa soll Satellitentelefone für die Gruppe beschafft haben, ein weiterer Angeklagter beschäftigte sich mit den Uniformen des künftigen Militärs nach dem angestrebten Systemwechsel.
Bevor den Angeklagten mitgeteilt werden konnte, was ihnen konkret vorgeworfen wird, hatten mehrere Verteidiger einen ersten Antrag gestellt, in dem sie die Teilung des Verfahrens auf die Oberlandesgerichte in Stuttgart, Frankfurt am Main und München infrage stellten. Beratungsgeheimnis und transparente Urteilsfindung seien dadurch gefährdet. Rechtsanwalt Roman von Alvensleben begründete unter anderem, dass in drei Städten gegen die Reuß-Gruppe verhandelt werde, sein Mandant Prinz Reuß aber nur bei einer Verhandlung zugegen sei.
Außerdem beantragten mehrere Verteidiger mit seitenlangen Erklärungen eine Audio-Aufzeichnung der Verhandlung. Unter anderem ging es dabei um das öffentliche Interesse an dem Prozess, das mit einer Audio-Aufzeichnung gewürdigt werden könne. Der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk teilte nach einer Beratung mit, dass der Senat die Forderung nach einer Tonaufnahme zurückweise. Es fehlten sowohl gesetzliche Grundlage als auch ein außerordentliches zeitgeschichtliches Interesse an dem Verfahren. Zudem könnten die Pflichtverteidiger, von denen jeder Angeklagte mindestens zwei hat, sich Notizen machen.
Neben dem Verfahren in Frankfurt hatte der Generalbundesanwalt im Dezember zwei weitere Anklagen gegen 17 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Vereinigung bei den Oberlandesgerichten in Stuttgart und München erhoben. In Stuttgart wird seit Ende April gegen den sogenannten „militärischen Arm“ der Gruppierung verhandelt. Der Prozess in München beginnt Mitte Juni. Die Gruppe war bei einer Razzia im Dezember 2022 aufgeflogen, als die Polizei 150 Wohnungen im „Reichsbürger“-Milieu durchsuchte.
In Frankfurt stehen die vermuteten Rädelsführer der Gruppe vor Gericht. Neben Prinz Reuß sind das unter anderem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann und Rüdiger v. P., ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr.