Itzehoe (epd). Im Prozess um eine tödliche Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt in Schleswig-Holstein hat das Landgericht Itzehoe den 34-jährigen Ibrahim A. am Mittwoch zu lebenslanger Haft wegen zweifachen Mordes und dreifachen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass A. am 25. Januar 2023 in dem Zug von Kiel nach Hamburg eine 17-Jährige und ihren 19-jährigen Freund getötet sowie vier weitere Menschen teils schwer verletzt hat. Sie sah die besondere Schwere der Schuld als bestätigt an. Das bedeutet, dass eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach 15 Jahren nur in Ausnahmefällen möglich ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zum Motiv hieß es, A. habe aus Frust gehandelt. Er habe sich seit Längerem ungerecht behandelt gefühlt. Behördengänge in Kiel am Tag der Tat seien nicht wie gewünscht verlaufen. Nachdem der Angeklagte schon länger den Gedanken in sich getragen habe, mehrere Menschen töten zu wollen, sei dieser Entschluss nach den Behördengängen offenbar gereift. A. habe willkürlich beliebige Menschen töten wollen und dazu in einem Kieler Supermarkt ein Küchenmesser gestohlen, das er für die Taten nutzte. Er habe im Zug beharrlich und entschlossen gehandelt.
Ibrahim A. war 2014 nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, A. wurde jedoch subsidiärer Schutz gewährt. Er lebte zunächst in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen), war dann von Juli bis November 2021 in Kiel gemeldet. In einer Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen erhielt er Hausverbot, weil er Mitbewohner bedroht haben soll.
Anschließend lebte er in Hamburg, wo er wegen gefährlicher Körperverletzung straffällig wurde und bis kurz vor der Tat in U-Haft saß. Am 25. Januar 2023 reiste er nach Kiel, um seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern zu lassen, allerdings ohne Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft hatte für Ibrahim A. lebenslange Haft gefordert, seine Verteidigung hatte für eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung plädiert. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigte dem Angeklagten eine posttraumatische Störung, aber keine Psychose. Ibrahim A. sei damit voll schuldfähig, hieß es von einem Sachverständigen Ende April während des Prozesses.
Die Tat hatte bundesweit Aufsehen erregt. Das junge Paar, das die Tat nicht überlebte, hatte in Neumünster gemeinsam die Berufsschule besucht. Im Juni 2023 war bekannt geworden, dass eine durch die Tat verletzte Frau Suizid begangen hatte.
Der Fall hatte auch Mängel in der Kommunikation zwischen den Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Bund offengelegt. Die Ausländerbehörde Kiel und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatten sich nach der Tat darüber beschwert, dass die Hamburger Justizbehörde sie nicht ausreichend über Ibrahim A. informiert habe. Die wiederum hatte dem vehement widersprochen.