Uelzen (epd). Polizei und Landesaufnahmebehörde Niedersachsen haben ein Kirchenasyl für eine russische Familie aufgelöst. Bereits am Sonntagabend sei die vierköpfige Familie nach Spanien abgeschoben worden, wie die evangelische St. Michaelisgemeinde in Bienenbüttel bei Uelzen am Dienstag mitteilte. „Wir sind geschockt vom Vorgehen der Landesaufnahmebehörde“, sagte Pastor Tobias Heyden dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Polizeibeamten hätten sich per Durchsuchungsbeschluss Zutritt zur Gemeindehauswohnung verschafft, in der die Familie untergebracht gewesen sei. Sie sei noch in der Nacht nach Barcelona geflogen worden, hieß es.
Das Ehepaar mit einem erwachsenen Sohn und einer 16-jährigen Tochter hielt sich den Angaben zufolge auf der Durchreise nach Spanien in Deutschland bei Verwandten auf, als Vater und Sohn einen Einberufungsbefehl erhielten. Die Familie habe sich nicht an dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligen wollen und deshalb in Deutschland Asyl beantragt. Die Mutter sei aufgrund der psychischen Belastung schwer erkrankt und stationär behandelt worden. Dennoch sei der Asylantrag mit Verweis auf das Dublin-Abkommen abgelehnt worden. Die Familie habe bereits ein spanisches Visum gehabt.
Daraufhin habe sich die Familie an den evangelischen Kirchenkreis gewandt, sagte der Pastor. Dieser habe nach sorgfältiger Prüfung das Kirchenasyl für sinnvoll erachtet. Die Ärzte der Mutter hätten von einer Abschiebung dringend abgeraten. Die Prognose zur Integration der Familie sei zudem gut gewesen. Vater und Sohn hätten Arbeitsangebote vorweisen können. Die Tochter habe ein Gymnasium in Uelzen besucht.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hat derzeit Kenntnis von 594 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 780 Personen, darunter etwa 130 Kinder. Im Februar hatte die Polizei das Kirchenasyl eines syrischen Flüchtlings in einer evangelischen Kirchengemeinde in Rheinland-Pfalz beendet. Die Polizei in Schwerin hatte kurz vor Weihnachten ein bestehendes Kirchenasyl in einer evangelischen Gemeinde gebrochen, um zwei erwachsene Söhne einer sechsköpfigen afghanischen Familie nach Spanien abzuschieben, die Abschiebung scheiterte.