Koblenz (epd). Vor dem Landgericht Koblenz hat am Montag der Prozess gegen den früheren Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Lebenshilfe Rhein-Lahn begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten schwere Untreue in insgesamt 251 Fällen sowie Sozialversicherungsbetrug vor. Im Zeitraum bis Anfang Juni wurden sechs Verhandlungstermine anberaumt.
Zwischen Februar 2020 und Dezember 2021 soll der Ex-Geschäftsführer des Sozialunternehmens für private Anschaffungen auf die Firmenkonten zugegriffen haben. Im Raum steht etwa der Vorwurf, er habe sich unberechtigt hochwertige E-Bikes gekauft. Den Gesamtschaden für die Lebenshilfe, die im Rhein-Lahn-Kreis verschiedene Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung erbrachte, beziffert die Staatsanwaltschaft auf rund 598.000 Euro. Den gesetzlichen Krankenkassen sei durch nicht gezahlte Sozialversicherungsbeträge in 25 Fällen ein Schaden von rund 29.000 Euro entstanden.
Da 62 der Untreuefälle erst noch nach Eintreten der Zahlungsunfähigkeit begangen worden sein sollen, wirft die Staatsanwaltschaft dem früheren Lebenshilfe-Chef auch Bankrott durch Beiseiteschaffen von Vermögen zur Last, außerdem Insolvenzverschleppung wegen eines zu spät gestellten Antrags für die gemeinnützige GmbH.
Die Lebenshilfe Rhein-Lahn hat mittlerweile ihren überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierten Geschäftsbetrieb komplett eingestellt. Im Rhein-Lahn-Kreis wurde die Affäre um das Sozialunternehmen auch zum Politikum. Die Opposition warf der Kreisverwaltung in Bad Ems vor, zu spät auf Warnhinweise reagiert zu haben und nicht genug für eine Aufklärung getan zu haben.
Seit Sommer 2023 ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz im Zusammenhang mit der Lebenshilfe auch gegen den früheren Landrat Frank Puchtler (SPD). Dabei geht es um den Anfangsverdacht, der Kommunalpolitiker habe Akten des Jugendamtes über die Lebenshilfe „der dienstlichen Verfügung“ entzogen. Außerdem steht der Anfangsverdacht der Untreue im Raum, weil der bereits in finanzielle Schieflage geratenen Lebenshilfe weiter Abschlagszahlungen überwiesen wurden, ohne auf einer zeitnahen Abrechnung der Kosten zu bestehen. Diese Ermittlungen dauern weiter an, wie die Staatsanwaltschaft am Montag auf Nachfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte.