Braunschweig, Hannover (epd). Der ehemalige braunschweigische Landesbischof Gerhard Müller ist am Freitagabend, an seinem 95. Geburtstag, in Erlangen gestorben. Nach längerer Krankheit sei er friedlich eingeschlafen, teilte die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig unter Berufung auf seine Familie mitteilte. Müller hatte sein Amt nahezu zwölf Jahre lang inne, vom 1. Oktober 1982 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 31. Mai 1994. Der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Thomas Adomeit, würdigte Müller als „profilierten Theologen“.
Müller war selbst von 1982 bis 1986 Ratsvorsitzender. Er habe in diesem Amt und in seiner Tätigkeit als Bischof sein umfangreiches theologisches Wissen eingebracht, lobte der Oldenburger Bischof Adomeit. Bis ins hohe Alter habe er sich an theologischen Diskussionen beteiligt und kritisch die Entwicklungen in der Kirche begleitet. „Wir danken Gott für den Dienst von Gerhard Müller und vertrauen ihn Gottes Gnade an.“
Von 1990 bis 1994 war Müller Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Der heutige leitende VELKD-Geistliche, der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, sagte: „Wir trauern um einen Menschen, der es glänzend verstand, kirchenleitendes Handeln und wissenschaftliches Engagement miteinander zu verbinden.“ Müller habe sich viele Verdienste und Sympathien erworben. „Unvergessen ist seine natürliche, bescheidene und freundliche Art, mit der er auch bei Meinungsverschiedenheiten vermitteln konnte.“
Müller war als renommierter Kirchengeschichtlicher und Lutherforscher bekannt. Er war unter anderem Herausgeber der Theologischen Realenzyklopädie, die als umfangreichstes theologisches Lexikon im deutschsprachigen Raum gilt. 1980 hatte ihm die schottische Universität St. Andrews die Ehrendoktorwürde verliehen.
Bis zu seinem Amtsantritt als Bischof war Müller 15 Jahre lang als Professor für Historische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg tätig. Sein Studium der Evangelischen Theologie hatte er in Marburg, Göttingen und Tübingen absolviert. Später wurde er zum Honorarprofessor an der Universität Göttingen ernannt. In zahlreichen Ehrenämtern war Müller unter anderem Präsident der Luther-Gesellschaft und Vorsitzender des Martin-Luther-Bundes.
Angesichts von zunehmenden Kirchenaustritten plädierte der ehemalige Bischof nach Angaben der Landeskirche für eine vertiefte Hinwendung zur christlichen Verkündigung. Bereits 1983 habe er prognostiziert, dass sich die Mitgliederzahlen innerhalb von 50 Jahren halbieren würden. Er förderte Initiativen, die den Kontakt mit den Mitgliedern intensivierten, unter anderem das missionarische Projekt „Neu anfangen“.