Gent (epd). Die Kommission und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wollen die vereinbarte Asylrechtsverschärfung so schnell wie möglich umsetzen. Die Kommission stellt den Staaten dafür beratende Teams zur Seite, um sie bei den nächsten Schritten zu unterstützen, wie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Dienstag zum Abschluss der europäischen Innenministerkonferenz im belgischen Gent erklärte.
Im Juni will die Kommission zudem einen Stufenplan für die Umsetzung der Reform vorlegen. Dies geschehe drei Monate vor dem eigentlichen Zeitplan, betonte Johansson. Bis Januar 2025 müssen die EU-Staaten dann nationale Pläne zur Umsetzung vorlegen.
Nach jahrelangen Verhandlungen hatte das EU-Parlament am 10. April die umstrittene Reform des EU-Asylsystems gebilligt. Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, dass Schutzsuchende direkt nach der Einreise in die EU eine Sicherheitsprüfung durchlaufen. Dafür sollen die Menschen zunächst in Zentren an der Grenze kommen. Auch sollen Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden. Dahinter stehen die sogenannten Grenzverfahren. Kritiker befürchten daher systematische Haft an den Außengrenzen.
In Rumänien und Bulgarien würden derzeit Pilotprojekte umgesetzt, die im Grundsatz bereits die Grenzverfahren anwendeten, erklärte Johansson. Beide Staaten zeigten „beeindruckende Ergebnisse“. Die Zahl der irregulär Einreisenden sei in Rumänien um 97 Prozent gesunken.
Die belgische Staatssekretärin für Asyl und Migration, Nicole de Moor, nannte als Aufgabe für die kommenden Wochen eine Bestandsaufnahme. Belgien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Die EU-Staaten sollen demnach eine Bewertung vornehmen, was sie an Geldern, Infrastruktur oder Trainings brauchen, um die neuen Regeln erfolgreich umzusetzen. Erst anschließend könne man zum Beispiel beantworten, ob weitere Zentren für Screening und Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen gebaut werden müssten.
Die Generaldirektorin der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Amy Pope, begrüßte die EU-Asylreform bei ihrem Besuch in Gent. Die IOM wolle der EU bei der Umsetzung helfen, „um ein resilienteres Migrations- und Asylsystem zu schaffen“, sagte Pope. Dieses müsse aber auch die Rechte von Migranten und Menschen auf der Flucht schützen. Sie sprach sich für „ganzheitliche Lösungsansätze“ aus, bei denen „sichere und reguläre Migrationswege eine wesentliche Ergänzung“ darstellen müssten.
Der Sonderbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen, Stefan Heße, kritisierte die EU-Asylreform hingegen. „Zu befürchten ist, dass die humanitären Spielräume dadurch enger werden“, sagte der Hamburger Erzbischof am Dienstag auf dem achten Katholischen Flüchtlingsgipfel in Köln. Dies zeige sich unter anderem daran, dass unschuldige Menschen, darunter auch Kinder, unter haftähnlichen Bedingungen an den EU-Außengrenzen festgehalten werden könnten.
Der Ruf nach einer immer stärkeren Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in ärmere Regionen dieser Welt sei geradezu grotesk, kritisierte der Bischof. Denn die Mehrzahl aller Geflüchteten werde ohnehin nach wie vor in Ländern des Globalen Südens aufgenommen. Die EU verhandelt derzeit Migrationsabkommen unter anderem mit Tunesien, Ägypten und Mauretanien.
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Europäischen Kommission in der EU rund 1,1 Millionen Asylanträge gestellt. Das seien 18 Prozent mehr als im Vorjahr.