Essen (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat mit Nachdruck für zügige Reformen bei der Organisation der Pflege geworben. Die Pflege stehe vor dem Hintergrund des demografischen Wandels hin zu mehr älteren Menschen vor großen Herausforderungen, mahnte Lauterbach am Dienstag bei der Fachmesse „Altenpflege“ in Essen. So werde die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten 15 Jahren um rund 40 Prozent auf sieben Millionen steigen. Auf der Fachmesse präsentieren bis Donnerstag rund 500 Aussteller ihre Angebote aus den Bereichen Pflege und Therapie, Beruf und Bildung, Verpflegung und Hauswirtschaft, IT und Management sowie Raum und Technik.
Dem wachsenden Bedarf stehe derzeit eine deutliche Verknappung des Pflegeangebots gegenüber, warnte der Minister: „Wir steuern auf eine Notsituation zu.“ Es sei bisher nicht gelungen, die Voraussetzungen für den Pflegeberuf zu verbessern und die Finanzierung zu stabilisieren. Zwar seien die Ausbildungsraten zuletzt gestiegen, doch gebe es immer noch hohe Abbruchraten. Als Folge fehle es an Pflegekräften, wobei auch die Anwerbung von Kräften aus dem Ausland zu gering sei.
Mit dem geplanten Pflegekompetenzgesetz will Lauterbach die bestehenden Mängel bei der Pflege beseitigen. Ein Entwurf wurde Ende 2023 vorgelegt. So sollen Pfleger Aufgaben übernehmen können, die bisher Ärzten vorbehalten waren, und zum Beispiel pflegerische Leistungen, Hilfs- und Arzneimittel verschreiben können. Ausländische Pflegeabschlüsse sollen anerkannt werden. Auch eine Mischform aus ambulanter und stationärer Pflege ist geplant.
Vom Bundestag verabschiedet wurde bereits ein Gesetz zur Pflegeunterstützung und -entlastung. Es sieht unter anderem mehr Leistungen für stationäre und ambulante Pflege vor.
Maria Loheide, Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, mahnte auf der Veranstaltung eine Reform der Pflegeversicherung an. „Immer mehr gesamtgesellschaftliche Aufgaben, wie die Finanzierung der Kosten der Coronapandemie mit 5,5 Milliarden Euro sowie der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige mit 3,5 Milliarden Euro bringt die Pflegeversicherung praktisch an den Rand der Insolvenz.“ Ohne diese Ausgaben wäre die Lage weniger defizitär.
Mit einer wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen stiegen auch die Ausgaben für die Pflege. Eine Anhebung des Beitragssatzes dürfe deshalb „kein Tabu“ sein. Wenn es keine Kürzungen von Leistungen geben soll, brauche es grundsätzlich ein neues Finanzierungsmodell. „Wie so oft haben wir kein Erkenntnisdefizit, sondern wir haben seit vielen Jahren ein politisches Umsetzungsdefizit“, betonte Loheide.