Frankfurt a.M. (epd). Die jüngst extrem gestiegenen Kakao-Preise liefern laut Experten die Chance für einen nachhaltigen Umbau der Schokoladenbranche. Die Kundschaft gewöhne sich jetzt zwangsläufig an höhere Preise, sagte der Forscher am Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene, Friedel Hütz-Adams, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das biete den Firmen die Möglichkeit für langfristige Verträge mit Bäuerinnen und Bauern, die den Familien höhere Einkommen sicherten. Angesichts von 1,5 Millionen arbeitenden Kindern auf Kakao-Plantagen allein in Ghana und der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) sei dies auch dringend nötig. „Ohne deutlich erhöhte Einkommen wird die Kinderarbeit nicht in den Griff zu kriegen sein.“
Das durch den Klimawandel verstärkte Wetterphänomen El Niño und Krankheiten der Bäume haben zuletzt zu großen Einbußen bei der Kakao-Ernte und einem niedrigen Angebot geführt. Dass der Preis für den Rohstoff sich binnen Jahresfrist auf über 10.000 US-Dollar pro Tonne vervierfacht hat, liegt Hütz-Adams zufolge aber auch an Spekulationen an der Börse. Da die Bauern einen Großteil ihrer jüngsten Ernte vor dem Preisanstieg verkauft hätten, könnten sie davon kaum profitieren.
Verbesserungen in der Branche werden dem Experten zufolge derzeit von neuen Gesetzen begünstigt. So greife Ende des Jahres die EU-Entwaldungsverordnung, mit der bei der Produktion von Rohstoffen wie Soja, Fleisch und Kakao die Zerstörung von Wald reduziert werden soll. „Dann kann ich mich als Unternehmen bei Kinderarbeit und Ausbeutung nicht mehr damit herausreden, dass ich nicht wusste, wo der Kakao herkommt.“ Denn ohne die Herkunft zu kennen, sei kein Nachweis über entwaldungsfreien Anbau möglich.
Und mit den Lieferkettengesetzen, das in Deutschland bereits in Kraft sei und auf EU-Ebene demnächst eingeführt werde, werde auch die Einhaltung von Menschenrechten verlangt. „Alle im Sektor wissen, dass das ohne deutlich erhöhte Preise nicht möglich sein wird.“
„Das haben die Unternehmen bislang aber nicht gemacht, weil sie nicht wussten, was der Wettbewerber macht“, gab Hütz-Adams zu bedenken. Denn so liege neben der eigenen Schokolade für 89 Cent eine von einem Konkurrenten für 79 Cent, weil der sich nicht schere, was in seiner Lieferkette passiert. „Den Nachteil hatte bisher derjenige, der etwas tat.“ Nun aber liefen Firmen bei Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit Gefahr, Ärger mit den Aufsichtsbehörden zu bekommen. „Und wenn das durch die Medien geht, schadet es der Marke.“
Höhere Einkommen für die Kakao-Produzenten müssen Hütz-Adams zufolge allerdings nicht automatisch höhere Schokoladenpreise bedeuten. Denn vom Verkaufspreis einer Tafel Vollmilchschokolade gingen nur etwa fünf Cent an die Bäuerinnen und Bauern. Eine Verdoppelung dessen, was bei ihnen ankomme, mache die Schokolade nicht signifikant teurer. Gleichzeitig setzten die Unternehmen die Preise für die Schokolade losgelöst vom Kakao-Preis hoch. „Wenn ich mir die Preiserhöhungen für viele Schokoladenprodukte schon letztes Jahr zu Weihnachten ansehe, frage ich mich, wo das Geld geblieben ist“, sagte der Experte. „Denn die Weihnachtsproduktion wurde noch aus dem viel billigeren Kakao der Saison davor hergestellt.“