Berlin (epd). Im Berliner Regierungsviertel ist am Dienstag ein weiterer Klimaaktivist in den unbefristeten Hungerstreik getreten. Der 61-jährige Michael Winter aus Garching bei München will damit die beiden hungerstreikenden Klimaaktivisten Richard Cluse und Wolfgang Metzeler-Kick unterstützen, die seit dem 25. März in einem Zeltlager im Spreebogenpark nahe dem Kanzleramt campieren. Er könne nicht weiter zusehen, wie die Wissenschaft ignoriert wird, sagte Winter: „Deshalb trete ich in den Hungerstreik.“
Der 49-jährige Metzeler-Kick befindet sich seit 40 Tagen, der 56-jährige Cluse seit 23 Tagen im Hungerstreik, das heißt, sie nehmen nur Flüssigkeiten zu sich. Mit ihrer Aktion „Hungern bis ihr ehrlich seid“ wollen die nunmehr drei Männer erreichen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung abgibt. In dieser soll der Kanzler klar und deutlich sagen, dass der Fortbestand der menschlichen Zivilisation durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet ist. Um das noch zu verhindern, müsse radikal umgesteuert werden.
Für die Hungerstreikenden und ihren Unterstützerkreis geht es um die öffentliche Anerkennung wissenschaftlicher Fakten, um mehr „Klimaehrlichkeit“, wie es heißt. Unterstützt werden sie in ihren Forderungen auch von Wissenschaftlern wie dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber und Wissenschaftsvereinigungen wie „Scientist Rebellion“.
„Wir sind beide Ingenieure, wir wissen, wovon wir reden“, betonten Cluse und Metzeler-Kick am Dienstag. Es gebe Technologien, um klimaneutral werden zu können und es könnten Techniken bezahlbar entwickelt werden, um klimaschädliches CO2 aus der Luft zu entnehmen. Allein es fehle der Mut und der Wille in der Politik. Dieses „Ignorieren, Versagen und Lügen“ sei ein „Skandal und ein Verfassungsbruch“.
Ärztinnen kümmern sich um die Männer, deren Gesundheitszustand mittlerweile zum Teil kritisch ist. So hat Metzeler-Kick nach eigenen Angaben bislang 18 Kilo verloren. Er habe keine Kondition mehr und Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, berichtete er am Dienstag. Nach eigener Aussage ist er aber bereit, bis zum Äußersten zu gehen. So wird er am Donnerstag für 24 Stunden in einen sogenannten trockenen Hungerstreik treten. Das bedeutet, er wird auch nichts trinken. An dem Tag muss er sich in Passau wegen zurückliegender Protestaktionen mit der „Letzten Generation“ vor Gericht verantworten.
Aus dem Kanzleramt und auch aus den Regierungsfraktionen gab es bislang keine Kontaktaufnahme. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte vergangene Woche davor gewarnt, „mit solchen radikalen Formen des Protests“ der eigenen Gesundheit zu schaden. Scholz werde seine Politik für den Klimaschutz fortsetzen, nicht aber konkreten einzelnen Forderungen folgen, „werden sie auch noch so nachdrücklich an ihn herangetragen“, sagte Hebestreit.
„Für uns klingt das so, als ob der Kanzler uns lieber sterben lässt, als sich dazu zu äußern“, sagte Cluse. Und sein neuer Mitstreiter Winter betonte, Ehrlichkeit sollte in Regierungsverantwortung selbstverständlich sein, gerade zur Klimakatastrophe. Die Bevölkerung habe bislang keine realistische Vorstellung von der Dramatik der Situation.