Auch für das jüdische Zentrum im Herzen Münchens hat Knobloch jahrelang mit großem Einsatz gekämpft, manchmal habe sie "schon alles hinschmeißen" wollen. Heute hält sie die Eröffnung des Zentrums für das großartigste Ereignis ihrer Laufbahn. Denn das Judentum habe jetzt endlich wieder ein Zuhause, in dem man sich darstellen und an die Zeit vor 1933 anknüpfen könne, sagt Knobloch, die seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern ist. Überhaupt seien die neuen Synagogen, die in deutschen Städten nach dem Münchner Vorbild entstanden sind, Zeichen der Hoffnung und Ausdruck einer Normalisierung des jüdischen Lebens in Deutschland, dem "Land der Täter".
In katholischer Bauernfamilie den Krieg überlebt
Die grauenhaften Schrecknisse der Judenverfolgung hat Charlotte Knobloch selbst erlebt und fast schon wie durch eine wunderbare Fügung überlebt. Geboren wurde sie in eine großbürgerliche Münchner Familie. Ihr Vater, ein angesehener Notar, übergab Charlotte der Obhut ihrer Großmutter Albertine Neuland, weil sich die Eltern getrennt hatten. 1942 muss das kleine Mädchen mitansehen, wie die Großmutter, an der sie sehr hängt, in das KZ-Theresienstadt deportiert wird, in dem sie zwei Jahre später ermordet wird. Der Vater vertraut jetzt das Mädchen einer Hausangestellten eines Verwandten an. Diese mutige Frau geht mit Charlotte zurück in ihr Heimatdorf und gibt das Kind als eigene Tochter aus. Charlotte übersteht Krieg und NS-Zeit in einer katholischen fränkischen Bauernfamilie.
1951 heiratet Charlotte den Krakauer Juden Samuel Knobloch, mit dem sie zwei Töchter und einen Sohn hat. Ursprünglich wollte sie mit ihrem Mann in die USA auswandern. Denn es sei anfangs eine enorme Belastung gewesen, "weiterhin mit den Menschen zu leben, die uns zuvor gedemütigt und beleidigt hatten". Heute sei sie froh, dass "uns das Schicksal gezwungen hat, unsere Koffer wieder auf den Speicher zu stellen" und "ich das jüdische Leben in Deutschland mitgestalten konnte", sagt sie.
Kraft, Vitalität und Diplomatie
In den folgenden Jahrzehnten hat sich Charlotte Knobloch mit ganzer Kraft, Durchsetzungsvermögen, Vitalität und diplomatischem Geschick der Sache ihrer Glaubensgeschwister angenommen. Sie wurde vor allem als Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland zu einer öffentlichen Frau - an der Seite von Politikern und Prominenten. Unermüdlich ging sie gegen Antisemitismus an und forderte vehement ein Verbot der rechtsextremen NPD.
Über die politischen Rahmenbedingungen hinaus liegt ihr vor allem eine Normalisierung des Verhältnisses von Judentum und den anderen Bevölkerungsgruppen in Deutschland am Herzen. Deshalb hat sie die Debatte um die religiöse Beschneidung auch persönlich sehr getroffen. Sie habe sich nie vorstellen können, dass in einem Land mit dieser Vergangenheit ein "jüdisches Religionsgesetz monatelang medial ausgeschlachtet" werde. Es habe sie zutiefst verletzt, dass "uns vorgehalten wurde, wir würden unsere Kinder, quälen, missbrauchen oder gar ermorden". In dieser Debatte seien ganz bewusst antisemitische Klischees und Vorurteile aktiviert worden.
###mehr-artikel### Generell mache sie immer wieder die Erfahrung, dass eben noch keine Normalität herrsche, und die Juden noch nicht vollständig in der Gesellschaft angekommen seien. Normalität sei noch nicht erreicht, wenn sie selbst in ihrem Heimatland Deutschland immer noch als "Mitbürgerin" bezeichnet werde. Und immer noch sei von jüdischen Schriftstellern oder jüdischen Sportlern die Rede, während niemand auf die Idee käme, etwa von katholischen oder protestantischen oder konfessionslosen Sportlern zu sprechen. Für die Zukunft wünscht sich Knobloch, dass ihre Enkelkinder, die alle zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, sich nicht dafür verantworten müssen, dass sie jüdisch sind.