In fünf Jahren jährt sich Luthers Thesenanschlag zum 500. Mal. Was sind Ihre Erwartungen?
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Gerhard Feige: Ich hoffe, dass dieses Reformationsgedenken im Jahr 2017 gewissermaßen ein Christusjubiläum wird, wie es einmal Präses Nikolaus Schneider formuliert hat, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dass Christus im Mittelpunkt steht, war ja auch das Anliegen Luthers, der leidenschaftlich Gott gesucht hat und eine innige Beziehung zu Christus hatte. Das ist auch unser Anliegen.
Sind Sie in die Vorbereitungen einbezogen?
Feige: Zunächst ist das Reformationsgedenken - oder wie die evangelische Seite sagt: das Reformationsjubiläum - eine evangelische Angelegenheit, und es wird immer noch überlegt, wie wir in dieses Geschehen mit einbezogen werden oder wie wir uns einbringen könnten. Außer einigen Projekten gibt es konkrete Vorschläge grundsätzlicher Art bisher noch nicht. Darum warte ich zunächst darauf, was die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vielleicht bei ihrer bevorstehenden Synode beschließt und dass sie bis Anfang des Jahres deutlicher sagen kann, wie sie sich das Reformationsgedenken 2017 vorstellt.
Was ist aus Ihrer Sicht die Reformation: Ist es der Neubeginn der evangelischen Kirche, ist es die Reform eines Teils der katholischen Kirche?
Feige: Das ist eine spannende Frage, die beide Seiten angeht. Manchmal hat man den Eindruck, als ob 2017 eine fröhliche Feier zum 500. Geburtstag anstünde. Aber die evangelische Kirche versteht sich doch wohl auch der alten Kirche verbunden. Katholischerseits hat der Jesuit und Publizist Mario von Galli einmal davon gesprochen, dass sich die katholische Kirche von der Gegenreformation verabschiedet und auf den Weg einer Mitreformation begeben habe. Das war zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zweifellos hat die Reformation auch Reformprozesse in der katholischen Kirche ausgelöst beziehungsweise beschleunigt.
"An Luther haben sich in der Vergangenheit die Geister geschieden"
Was erwarten Sie vom Reformationsjubiläum für die Ökumene?
Feige: Nach wie vor ist die Person Luthers interessant, besonders auch in unserer Region. An Luther haben sich in der Vergangenheit die Geister geschieden. Da hoffe ich, dass es einige neue Erkenntnisse gibt: dass die katholische Seite einen unverkrampfteren Zugang zu Luther bekommt und dass sich die evangelische Seite der katholischen Verwurzelung Luthers bewusster wird.
Luther ist von der katholischen Kirche exkommuniziert worden. Kann es bis 2017 eine Revision geben?
Feige: Kirchenrechtler sagen, dass die Exkommunikation nur einen Lebenden betrifft, und darum folglich nach dem Tod nicht aufgehoben werden kann. Aber es könnte durchaus noch eine gerechtere oder positivere Würdigung erfolgen. Im katholisch-lutherischen Dialog ist es ja bereits möglich gewesen, Luther gemeinsam als "Zeugen des Evangeliums, Lehrer im Glauben und Rufer zur geistlichen Erneuerung" zu bezeichnen. Auf diesem Weg könnten wir uns gut weiter bewegen.
In Erfurt traf vor einem Jahr Papst Benedikt XVI. mit den Vertretern der EKD zusammen. Die ökumenische Dimension seines Besuchs wird sehr unterschiedlich interpretiert. Was ist aus Ihrer Sicht geblieben?
Feige: Geblieben ist eine interessante Anregung. Der Papst hat bei der Rede im Kapitelsaal des Augustinerklosters Luther als leidenschaftlichen Gottsucher gewürdigt in seiner Beziehung zu Christus, und er hat auch zum Ausdruck gebracht, dass es unser erster ökumenischer Dienst sein müsse, Gott wieder der Welt nahe zu bringen. Dieser Akzent ist nach meiner Feststellung auch von der evangelischen Seite ernsthaft aufgegriffen worden.
Andererseits gab es aber auch enttäuschte Reaktionen auf den Papst.
Feige: Ich habe selber bei der EKD-Synode hier in Magdeburg 2011 auch kritische Stimmen gehört, und wir haben uns im Kontaktgesprächskreis der Bischofskonferenz mit der EKD über diesen Besuch in ehrlicher Weise ausgetauscht. Ich kann manche evangelische Verstimmungen verstehen. In Erinnerung ist mir aber auch, dass der Erwartungsdruck vorher enorm hoch war.
"Das lutherische und das katholische Abendmahlsverständnis liegen ziemlich dicht beieinander."
Ökumenische Erwartungen hat es auch in den Gemeinden gegeben - etwa in der Frage des gemeinsamen Abendmahls. Sehen Sie da Bewegung?
Feige: Ich würde das Miteinander nicht gern auf diese sehr kritische und sensible Frage fixieren. Dahinter stehen Unterschiede nicht nur im Verständnis des Abendmahls, sondern von Kirche überhaupt. Das lutherische und das katholische Abendmahlsverständnis liegen ziemlich dicht beieinander. Aber in der katholischen Kirche steht die Eucharistie in enger Verbindung mit der Einheit der Kirche, sie ist ihr höchster und letzter Ausdruck. Wenn nicht-katholische Teilnehmer an der Eucharistiefeier nach dem Hochgebet mit allem, was dort formuliert ist - auch der Einheit Gemeinschaft mit dem Papst und dem Ortsbischof - nicht aufrichtig ihr Amen sagen können, dann ist die Voraussetzung zur Einheit noch nicht gegeben.
Vor allem für konfessionsverschiedene Ehepartner war ein Signal erhofft worden.
Feige: Bei konfessionsverbindenden Ehepaaren ist das natürlich besonders schmerzlich und tragisch. Es gibt immer wieder Überlegungen, ob im Einzelfall nicht etwas möglich ist. Das katholische Kirchenrecht und bestimmte ökumenische Regeln sehen das auch vor, zumeist aber nur in Ausnahmefällen.
Hat die Deutsche Bischofskonferenz Handlungsspielraum, oder muss das in Rom entschieden werden?
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Feige: Es gibt einen Handlungsspielraum, den das Kirchenrecht für nationale Bischofskonferenzen vorsieht. Aber die Deutsche Bischofskonferenz konnte sich bisher nicht entschließen, ähnlich zu verfahren wie zum Beispiel die englische Bischofskonferenz. In ihrem Bereich kann in bestimmten Einzelfällen, etwa bei der Trauung eines konfessionsverschiedenen Paares oder bei der Erstkommunion eines Kindes einer solchen Familie, auch das dann zumeist anglikanische Elternteil mit zur Kommunion gehen, danach aber nicht mehr. Eine solche kasuistische Beschränkung auf Einzelfälle ist nur schwer verständlich zu machen, und deswegen hat die Deutsche Bischofskonferenz diese Möglichkeit zunächst nicht aufgegriffen.
In der Realität drücken aber schon heute viele Priester ein Auge zu, wenn zur Eucharistie ein Protestant auf den Altarstufen steht...
Feige: Es gehört zu unserer Praxis, niemanden in aller Öffentlichkeit zurückzuweisen. Dazu hat der einzelne Priester auch nicht das Recht. Von daher ist es vielfach auch eine Gewissensentscheidung desjenigen, der an der Eucharistie teilnehmen will. Offiziell laden wir aber andere Christen nicht dazu ein, versuchen jedoch - wenn jemand darum bittet - mit einem Segenszeichen die schon bestehende Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen.
Ihr Vorgänger als Ökumene-Bischof, Gerhard Ludwig Müller, stand der Diözese Regensburg vor, in der die Katholiken rund drei Viertel an der Gesamtbevölkerung ausmachen. Im Bistum Magdeburg sind es 20-mal weniger - gerade 3,4 Prozent. Was bedeutet das für Ihren Blick auf die Ökumene?
Feige: Eine Besonderheit unseres Bistums ist ein gesellschaftliches Umfeld, wo mehr als 80 Prozent keiner Kirche, aber auch keiner anderen Religion angehören. Wir treffen auf Menschen, die anscheinend religionsresistent sind oder die sich auf die Suche begeben haben. Da wäre es für uns Christen wichtig, ein gemeinsames Zeugnis abzulegen. Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Region mit ihren Lutherstädten durch die Reformation sehr stark geprägt ist, schon lange aber auch gute ökumenische Erfahrungen aufweist. Dadurch fühlen wir uns in einer besonderen Art und Weise zur ökumenischen Gemeinsamkeit herausgefordert.