Berlin, Port-au-Prince (epd). Inmitten der eskalierenden Bandengewalt in Haiti hat Premierminister Ariel Henry seinen Rücktritt angeboten. Das Land brauche Frieden und Stabilität, sagte er in einer am Montagabend (Ortszeit) veröffentlichten Videobotschaft. Henry will sein Amt niederlegen, sobald ein von der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) vorgeschlagener Präsidialrat eingerichtet und ein neuer Übergangs-Premierminister bestimmt worden sei.
Die Caricom rief alle politischen Parteien in Haiti auf, einen Konsens über eine Übergangsregierung zu finden. Guyanas Präsident Mohamed Irfaan Ali bestätigte, es werde ein siebenköpfiger Präsidialrat für den Übergang hin zu Wahlen in Haiti eingerichtet. In den vergangenen Monaten gab es jedoch schon mindestens fünf gescheiterte Vermittlungsversuche der Caricom.
Der Mitte-Links-Politiker Henry hatte das Amt des Regierungschefs nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 übernommen. Unter Verweis auf die angespannte Sicherheitslage hatte er Wahlen immer wieder verschoben. Eigentlich hätte Henry Anfang Februar aus dem Amt scheiden sollen. Stattdessen verständigte er sich mit der Opposition darauf, bis zur Abhaltung von Neuwahlen gemeinsam zu regieren.
In den vergangenen Wochen eskalierte die Gewalt in dem Karibikstaat. Kriminelle Banden kontrollieren inzwischen große Teile von Haiti und fast die gesamte Hauptstadt Port-au-Prince. Zuletzt überfielen sie Polizeiwachen, Flughäfen und Regierungsgebäude. Inzwischen gilt seit Ende Februar ein landesweiter Ausnahmezustand. Die zwei mächtigsten Banden hatten sich zusammengeschlossen und den Rücktritt von Henry gefordert, als dieser auf einer Auslandsreise zunächst in Guyana und danach in Kenia war.
Inzwischen hat auch die EU ihr gesamtes Personal aus Haiti abgezogen. Der deutsche Botschafter hatte schon zuvor die Karibikinsel verlassen.
Derweil wird weiter über einen vom UN-Sicherheitsrat im Oktober beschlossenen internationalen Polizeieinsatz für das Land verhandelt. Kenia hat sich bereiterklärt, die Federführung der Mission zu übernehmen und 1.000 Polizisten zu entsenden. Ein Gericht stoppte das Vorhaben allerdings vorerst. Auch Benin hat Bereitschaft bekundet, etwa 2.000 Sicherheitskräfte zu entsenden.