Frankfurt a.M., Tunis (epd). Amnesty International ruft die tunesischen Behörden auf, sechs seit einem Jahr inhaftierte Regierungskritiker freizulassen. Die Oppositionellen würden aus politischen Gründen festgehalten, sagte die Amnesty-Direktorin für Nordafrika, Heba Morayef, am Freitag. Sie müssten unmittelbar aus der Haft entlassen und die gegen sie erhobenen Vorwürfe fallengelassen werden.
Die Behörden werfen den sechs Oppositionspolitikern laut Amnesty „Verschwörung gegen die Staatssicherheit“ vor. Die Menschenrechtsorganisation bezeichnete die Vorwürfe als unbegründet. Sie säßen wegen ihrer kritischen Haltung zur Regierung sowie der Ausübung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit in Haft.
Bei den Inhaftierten handelt es sich den Angaben zufolge um Issam Chebbi, Jawher Ben Mbarek, Ghazi Chaouachi, Khayem Turki, Abdelhamid Jelassi und Ridha Belhaj. Die sechs Oppositionspolitiker hatten vor knapp zwei Wochen einen Hungerstreik begonnen. Zwei von ihnen haben Amnesty zufolge den Streik inzwischen aus gesundheitlichen Gründen wieder abgebrochen.
Amnesty-Direktorin Morayef kritisierte das Vorgehen der tunesischen Regierung gegen Oppositionelle. Im vergangenen Jahr hätten die Behörden das Justizsystem genutzt, um politischen Widerspruch zum Schweigen zu bringen, sagte sie.
Nach einer Phase der Hoffnung auf mehr Demokratie im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings wird Tunesien wieder zunehmend autoritär regiert. Der 2019 mit großer Mehrheit gewählte Präsident Kais Saied rief 2021 den Notstand aus und riss nach und nach weite Teile der Macht an sich. Die Unabhängigkeit der Justiz wurde eingeschränkt und Oppositionelle werden juristisch verfolgt.