Frankfurt a.M., Genf (epd). Der Internationale Präsident von „Ärzte ohne Grenzen“, Christos Christou, hat die europäische Asylpolitik scharf kritisiert. Oberste Priorität sei die Abwehr von Migranten und Geflüchteten, sagte Christou dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das zeige sich in der angestrebten EU-Asylreform oder der Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie Tunesien und Libyen. Die derzeitige Politik führe dazu, dass viele Schutzsuchende auf gefährlichere Routen ausweichen - „und deshalb ist die Migration so tödlich geworden“, sagte der griechische Notfallchirurg.
In Libyen, von wo aus viele Migranten und Geflüchtete Richtung Europa in See stechen, herrschten „katastrophale Verhältnisse“, sagte Christou. „Es gibt eine totale Missachtung der Menschenrechte.“ Menschen auf der Flucht würden an Orten festgehalten, in denen es kaum Zugang zu Wasser oder Nahrung gebe. Trotz dieser Missstände arbeite die EU mit den libyschen Behörden zusammen und unterstütze die Küstenwache.
Der Präsident der Hilfsorganisation kritisierte auch die Zustände in Internierungscamps auf griechischen Inseln. Auf Lesbos oder Samos würden Migranten und Geflüchtete über Monate festgehalten, während sie auf ihren Asylbescheid warteten. Die Gesundheitsversorgung in den Lagern sei schlecht und viele Menschen litten unter Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, sagte Christou. Es gebe bereits mehrere Suizid-Fälle.
Der griechische Arzt, der seit 2019 Internationaler Präsident von „Ärzte ohne Grenzen“ ist, rief die EU-Staaten zu einer würdevollen Behandlung von Migranten und Geflüchteten auf. Es brauche eine Politik, „in der die Würde der Menschen an erster Stelle steht“, betonte Christou. Die geplante Reform des EU-Asylsystems ziele aber weiter auf die Abwehr von Schutzsuchenden. Das Gesetzespaket soll Migration in die EU begrenzen und steuern. Ein zentrales Element ist, dass ankommende Asylbewerber mit geringer Bleibechance schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden sollen. Die finale Abstimmung wird für April erwartet.