Düsseldorf (epd). Durch die starke Inflation von 5,9 Prozent sind die realen Tariflöhne in Deutschland einer Untersuchung zufolge 2023 um durchschnittlich 0,4 Prozent zurückgefallen. Trotz einer Steigerung der Tariflöhne um nominal 5,5 Prozent im vergangenen Jahr liege die Kaufkraft der Beschäftigten wegen der „drastischen Reallohnverluste 2021 und 2022“ heute um sechs Prozentpunkte niedriger als 2020, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung am Dienstag in Düsseldorf mitteilte. Die Reallöhne bewegten sich aktuell „nur noch auf dem Niveau von 2016“, erklärte das gewerkschaftsnahe Institut.
Zwar habe die Kaufkraft der Tarifbeschäftigten auch durch die in vielen Branchen vereinbarten steuerfreien Inflationsausgleichsprämien 2023 weitgehend gesichert werden können, geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Tarifpolitischen Jahresbericht des WSI hervor. Um jedoch auch die Reallohnverluste der beiden Vorjahre auszugleichen, seien in den kommenden Tarifrunden „kräftige Reallohnsteigerungen“ notwendig, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Dies sei auch wichtig, um die „schwache Konjunkturentwicklung“ in Deutschland zu stabilisieren.
Die Inflationsrate werde nach Einschätzung der meisten Experten in diesem Jahr auf zwei bis drei Prozent sinken, führte das gewerkschaftsnahe Institut aus. Dies erleichtere zwar die Durchsetzung von realen Lohnzuwächsen, dennoch erwartet der Leiter des WSI eine „offensive Tarifrunde“ mit Arbeitskämpfen. Der Druck sei groß, „nachdem für viele Beschäftigte preisbereinigt die Einkommensverbesserungen eines halben Jahrzehnts verloren gegangen sind“, sagte Schulten.
Im Jahr 2023 schlossen die DGB-Gewerkschaften den Angaben zufolge für rund 6,3 Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge ab. Hinzu kommen für weitere 9,2 Millionen Beschäftigte Tarifsteigerungen, die bereits 2022 oder früher vereinbart wurden. In den meisten Branchen seien die Tariflöhne im vergangenen Jahr zwischen 4,4 und 7,4 Prozent gestiegen.
Deutlich höhere Zuwächse gab es demnach in einigen klassischen Niedriglohnbranchen, die von der „kräftigen Anhebung“ des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro profitiert hätten. In der Folge seien auch Tariflöhne in einigen Branchen nach oben angepasst worden, so etwa in der Landwirtschaft mit einem nominalen Plus von zehn Prozent. Auch im Gastgewerbe seien die Tarifsteigerungen mit 9,5 Prozent überdurchschnittlich ausgefallen.