Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Religionssoziologe Rauf Ceylan rechnet der neuen, mutmaßlich türkeinahen „Demokratischen Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (Dava) nur wenig Chancen bei Landtags- oder Bundestagswahlen aus. Bei der als Nächstes anstehenden Europawahl am 9. Juni, bei der Dava nach eigenen Aussagen erstmals als Partei antreten will, stünden die Chancen auf einen oder zwei Abgeordnete allerdings nicht schlecht, sagte Ceylan in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vielleicht werde sie auch bei vereinzelten Kommunalwahlen Erfolge erzielen.
Eine beachtenswerte Rolle werde Dava aber, wie ähnliche Gruppierungen in der Vergangenheit, nicht spielen: „Die sind alle unbedeutend oder nach kurzer Zeit wieder verschwunden. Das sollten wir auch dieses Mal ganz entspannt beobachten.“ Über die türkische Wählerschaft hinaus werde die Partei kaum Menschen ansprechen können.
Die handelnden Personen, wie der Vorsitzende Teyfik Özcan oder Mustafa Yildaz, ließen den Schluss zu, dass Dava der Erdogan-Partei AKP nahestehe, erläuterte Ceylan. Die meisten seien Mitglieder der Islamverbände Ditib oder Milli Görüs. „Da ist zumindest ideologisch eine Nähe zur AKP da.“
Dava rechnet sich Ceylan zufolge vor allem bei muslimisch konservativen Menschen Chancen aus, die sich in Deutschland ausgegrenzt fühlten. Die Abkürzung Dava, die zugleich das arabische Wort für Mission sei, deute darauf hin.
Informierten Wählern werde jedoch sofort auffallen, dass die Vorwürfe, die Dava erhebe, nicht zutreffend seien, sagte der Professor für gegenwartsbezogene Islamforschung an der Uni Osnabrück. So seien antimuslimischer Rassismus, zunehmender Nationalismus, Antisemitismus und Armut in allen etablierten Parteien wichtige Themen. „Dava wird eher die Menschen ansprechen, die sich wenig für Politik interessieren und sich eher gefühlsmäßig abgehängt fühlen.“
Die Gründer versuchten die politische Stimmung im Land mit einer erstarkenden AfD und den schwächer werdenden Volksparteien auszunutzen, betonte Ceylan. Die SPD sei schon länger nicht mehr die Partei der türkeistämmigen Wähler. Durch den eskalierenden Nahostkonflikt hoffe Dava zudem auf die Stimmen derer, die sich mit den Palästinensern solidarisierten.
Die AKP mache bereits seit den 2000er-Jahren Lobbyarbeit in Deutschland und propagiere, die türkeistämmigen muslimisch-konservativen Bürger hätten hier keine politische Heimat. Erdogans großes Ziel sei es, türkische Organisationen in Deutschland hinter seiner Partei zu versammeln und für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren. „Die Dava ist nun ein weiterer Versuch.“