Berlin, Bogotá (epd). In Kolumbien haben die Regierung und die Guerilla ELN ihre Feuerpause um sechs Monate verlängert. Alle feindlichen Handlungen würden bis zum 3. August ausgesetzt, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Die Friedensverhandlungen in Kubas Hauptstadt Havanna sollen fortgesetzt werden.
Die ELN ist die größte noch aktive Guerilla in Kolumbien und verfügt Schätzungen zufolge über etwa 3.000 Kämpfer. Am 3. August vergangenen Jahres trat ein sechsmonatiger bilateraler Waffenstillstand in Kraft.
Dennoch hat die Gruppe laut der nationalen Ombudsstelle im vergangenen Jahr Verbrechen begangen. 2023 registrierte die Behörde insgesamt 236 Gewalttaten und Verstöße gegen internationales Menschenrecht durch bewaffnete Gruppen, wie Ombudsmann Carlos Camargo Assis am Montag (Ortszeit) mitteilte. Für etwa einen Fünftel davon sei die ELN (Nationale Befreiungsarmee) verantwortlich.
58 Prozent der Verbrechen gehen laut Ombudsstelle auf das Konto der Abspaltung der aufgelösten Rebellengruppe Farc, Estado Mayor Central (EMC), acht Prozent rechnet sie dem Golf-Clan zu, einer kriminellen Organisation ehemaliger Paramilitärs, und sieben Prozent Deserteuren des Friedensprozesses mit der Farc, der Segunda Marquetalia. Wer für die restlichen sieben Prozent der Taten verantwortlich sei, sei bisher nicht geklärt, teilte die Ombudsstelle mit.
202 der registrierten Gewalttaten hätten sich in der Auseinandersetzung der bewaffneten Gruppen untereinander ereignet, 34 seien Angriffe auf die Sicherheitskräfte gewesen. In allen Fällen seien Zivilisten die Hauptleidtragenden gewesen.
Der kolumbianische Präsident und frühere Guerillero Gustavo Petro versprach bei seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren, das seit den 60er Jahren unter einem blutigen Bürgerkrieg leidende Land zu befrieden. Dazu wollte er sowohl mit Rebellen als auch mit paramilitärischen Milizen und Drogenkartellen verhandeln. Er vereinbarte Waffenruhen mit der ELN-Guerilla und der Splittergruppe EMC, ebenso wie mit dem Golf-Clan. Diese brachen die Feuerpause jedoch bereits nach wenigen Monaten so nachhaltig, dass Petro sie aufkündigte. Die Vereinbarung mit der ELN ist Petros bislang wichtigster Erfolg.
Laut der Vereinbarung für die Waffenruhe verpflichtet sich die Guerilla, Geiselnahmen, Lösegelderpressungen oder die Rekrutierung von Kindern zu unterlassen. Ombudsmann Camargo erklärte, es sei unerlässlich, dass alle bewaffneten Gruppen die Zwangsrekrutierung von Minderjährigen einstellten, alle Kinder und Jugendlichen in ihren Reihen freiließen, keine Menschen mehr entführten und die Verschleppten an die Behörden übergäben. Nur so könne die Bevölkerung Vertrauen in den Fortschritt der Friedensverhandlungen haben.
In Kolumbien herrscht seit rund 60 Jahren ein Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und dem Militär. Etwa 300.0000 Menschen kamen ums Leben, rund sieben Millionen wurden vertrieben. Nach dem Friedensabkommen im Jahr 2016 zwischen der Regierung und Farc-Guerilla verbesserte sich die Sicherheitslage in dem südamerikanischen Land zunächst. Doch inzwischen hat die Gewalt im Kampf um die Vorherrschaft im Drogenhandel wieder zugenommen.