Frankfurt a.M., Leipzig (epd). Der Lyriker Christian Lehnert sieht im evangelischen Gesangbuch einen Schatz, den es in seiner „kulturellen Tiefendimension“ zu bewahren gilt. Von einer Neuauflage des Gesangbuchs wünsche er sich, dass dessen „Widerborstigkeit in Sprache und Ausdruck erhalten bleibt“, sagte der Leipziger Schriftsteller und Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die evangelische Kirche erinnert in diesem Jahr an den Druck der ersten Gesangbücher vor 500 Jahren. Zugleich arbeitet eine Kommission an einer Neuauflage des zuletzt 1993 erschienenen „Evangelischen Gesangbuchs“. Es soll um eine umfassende Digitalausgabe ergänzt werden.
Natürlich müssten die Lieder zugänglich sein, sie sollten aber auch ein Potenzial an Unerwartetem bereithalten, sagte Lehnert: „Bei allem Ringen um Verständlichkeit darf der literarisch-künstlerische Wert des Gesangbuchs nicht preisgegeben werden.“
Das Gesangbuch sei „eine wesentliche Basis dafür, dass wir in unserer westlichen Kultur überhaupt singen“. Ohne die Kirchenlieder und frühen „Leisen“ - abgeleitet von ihrem Schlusswort „Kyrieleis“, die die Keimzellen des Lieds waren - wäre die Kultur des Singens so nicht entstanden.
Zudem sei das Gesangbuch ein „Lehrbuch für die Verbindung von Sprache und Musik“, erklärte der Theologe, der Geschäftsführer des Liturgiewissenschaftlichen Instituts an der Leipziger Universität ist. Diese über Jahrhunderte gewachsene organische Verbindung habe zu einer Vorbildwirkung geführt, die bis heute wirksam sei.
Er selbst habe sich als Dichter „viele Versformen durch das Gesangbuch singend erschlossen“. Die Lieder des Barock - etwa von Paul Gerhardt oder Johannes Scheffler - enthielten einen verblüffenden Einfallsreichtum an Metaphorik. Lehnert ist Autor von Gedichtbänden wie „Cherubinischer Staub“ (2018) und „Aufkommender Atem“ (2011) und wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet.