Berlin (epd). Die in Deutschland verursachten Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr stark zurückgegangen. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten vorläufigen Bilanz des Thinktanks Agora Energiewende hervor. Wie die Organisation in Berlin mitteilte, sank der CO2-Ausstoß 2023 auf 673 Millionen Tonnen und lag damit sogar unterhalb des aus dem Klimaschutzgesetz abgeleiteten Jahresziels. Gründe für den Rückgang waren den Angaben zufolge vor allem die geringere Kohleverstromung und der krisenbedingte Produktionsrückgang energieintensiver Unternehmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte das Ergebnis. Gerade bei der Stromerzeugung sei Deutschland durch den Zuwachs bei erneuerbaren Energien auf einem guten Weg, sagte er: „Wir haben erstmals die 50-Prozent-Marke bei den Erneuerbaren geknackt.“ Beim Emissionsrückgang in der Industrie müsse man allerdings differenzieren. Gut sei, dass in Klimaschutz und Energieeffizienz investiert werde, sagte Habeck. „Nicht gut ist, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die von Putin gewollte Preiskrise zu Produktionsrückgängen führen“, ergänzte er. Sein Ziel sei, dass Deutschland ein starker Industriestandort bleibe und klimaneutral werde.
Die vorläufige Bilanz von Agora Energiewende enthält trotz der Emissionsreduktionen auch Kritik. Nur rund 15 Prozent des CO2-Rückgangs seien langfristige Einsparungen, etwa durch den Zubau erneuerbarer Energien, Effizienzsteigerungen und den Umstieg auf klimafreundliche Brennstoffe. Der Rückgang der Emissionen durch weniger Produktion sei ein kurzfristiger Effekt, hieß es. Hier sehe er keine nachhaltige Entwicklung, sagte der Direktor von Agora Energiewende, Simon Müller. „Wenn in der Folge Emissionen lediglich ins Ausland verlagert werden, ist auch für das Klima nichts gewonnen“, sagte er.
Zudem beklagt die Organisation beim CO2-Ausstoß eine weitere Stagnation in den Bereichen Gebäuden und Verkehr. Diese Sektoren hätten erneut ihre Klimaziele gerissen. Habeck verwies auf das Gebäudeenergiegesetz, mit dem klimafreundliche Heizungen gefördert werden sollen. „Diese Investitionen werden helfen, den CO2-Ausstoß zu senken“, sagte er. „Und was den Verkehr anbetrifft, ist bekannt, dass wir ein Problem haben und hier mehr nötig ist“, ergänzte er.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärte, die Bilanz sei für Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) „die nächste klimapolitische Backpfeife“. Während bei den Gebäuden inzwischen der Kurs korrigiert worden sei, fehlten im Verkehr weiterhin Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu senken. „Wenn Verkehrsminister Wissing weiterhin einfach umsetzbare Schritte wie eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen, den Abbau des Dienstwagenprivilegs oder ein abgesichertes Deutschlandticket blockiert, wird Deutschland schon bald für gerissene Klimaziele Millionen Euro an EU-Strafen zahlen müssen“, sagte Greenpeace-Mobilitätsexpertin Clara Thompson.
Beim Emissionshandel sorgt der Verkehr jedenfalls bereits für höhere Einnahmen. Wie das Umweltbundesamt mitteilte, stiegen die Einnahmen aus dem europäischen und dem nationalen Emissionshandel 2023 auf einen Höchstwert. Demnach lagen die Erlöse bei mehr als 18 Milliarden Euro. Das waren 40 Prozent mehr als im Jahr davor. Maßgeblicher Treiber für das Wachstum der Gesamterlöse aus der CO2-Bepreisung war laut Bundesumweltamt das nationale Emissionshandelssystem für Wärme und Verkehr. Dort seien die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 67 Prozent auf rund 10,7 Milliarden Euro gestiegen.