Berlin, São Paulo (epd). Das brasilianische Parlament hat ein umstrittenes Gesetz zur erschwerten Ausweisung indigener Schutzgebiete wiederhergestellt. Damit überstimmten die Abgeordneten am Donnerstag (Ortszeit) ein Veto von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Nach der Regelung dürfen indigene Gemeinschaften nur noch Land beanspruchen, wenn sie beweisen, dass sie bereits vor Inkrafttreten der brasilianischen Verfassung im Jahr 1988 dort gelebt haben. Der Oberste Gerichtshof hatte in einem Urteil vom September diese sogenannte Stichtagsregelung als verfassungswidrig eingestuft.
Der Gesetzestext wird jetzt zur Verkündung an Lula weitergeleitet. Allerdings wird erwartet, dass das Oberste Gericht das Verfahren wieder aufnimmt und sich erneut zur Verfassungsmäßigkeit positioniert. Damit ist die Auseinandersetzung über die Ausweisung indigener Schutzgebiete noch nicht abgeschlossen.
Dennoch ist die Abstimmung im Parlament eine Niederlage für Lula gegen die Agrarlobby. Diese hatte argumentiert, mit dem Gesetz werde Rechtssicherheit hergestellt. Vertreter der indigenen Gemeinschaften erklärten dagegen, dass eine Stichtagsregelung ihre Rechte verletze, da viele ihrer Vorfahren von dem angestammten Land vertrieben wurden, beispielsweise während der Militärdiktatur (1964 bis 1985). Sie hätten dann niemals die Chance auf Rückkehr.
Das Projekt der Stichtagsregelung stammt noch aus der Zeit des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro (2018 bis 2022), der damit die wirtschaftliche Ausbeutung im Amazonas-Regenwald vorantreiben wollte. Kritiker befürchten, indigene Gemeinschaften könnten vertrieben werden, ihr Land würde geöffnet für die Agrar- oder Bergbauindustrie, mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt und die Menschen. In Brasilien leben mehr als 300 indigene Völker mit insgesamt 1,6 Millionen Menschen.