Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Polen zur Zahlung einer Entschädigung von 15.000 Euro verurteilt, weil einer jungen Polin ein Schwangerschaftsabbruch trotz einer Trisomie-Diagnose für ihr Kind versagt worden war. Das Abtreibungsverbot in Polen habe die Frau gezwungen, für den Abbruch ins Ausland zu reisen, was mit erheblichen Kosten, der Trennung von familiärer Unterstützung und „erheblichen psychologischen Folgen“ verbunden gewesen sei, befanden die Richter am Donnerstag in Straßburg.
Das Verfassungsgericht in Polen hatte 2020 das Recht auf Abtreibung eingeschränkt. Insbesondere hatte das Gericht festgehalten, dass ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund von „fötalen Anomalien“ nicht mit der Verfassung vereinbar sei. Das Urteil trat am 27. Januar 2021 in Kraft.
Die Klägerin hatte einen Tag später, für den 28. Januar, einen Termin für den Schwangerschaftsabbruch. Ihr behandelnder Arzt teilte ihr mit, dass sie aufgrund der neuen Gesetzeslage keinen Schwangerschaftsabbruch mehr in Polen vornehmen lassen könne. Der Termin für den Eingriff wurde abgesagt. Die Frau reiste schließlich in die Niederlande, wo die Schwangerschaft in einer Privatklinik abgebrochen wurde.
Die Straßburger Richter kritisierten, die Entscheidung habe in ein Verfahren eingegriffen, für das sich die Klägerin bereits qualifiziert hatte und das bereits in Gang gesetzt worden war. Das polnische Verfassungsgericht selbst entspreche derweil nicht den Anforderungen eines Rechtsstaates, weil es bei der Wahl der polnischen Verfassungsrichter „erhebliche Regelverstöße“ gegeben habe, wie ein vorangegangenes Urteil zeige.