Hildesheim (epd). Der amerikanische Germanist und Holocaust-Überlebende Guy Stern ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 101 Jahren in Detroit in den USA, wie die Stadt Hildesheim am Freitag mitteilte. Stern ist in Hildesheim geboren und war Ehrenbürger der Stadt. Anlässlich seines Todes werden Flaggen am Rathaus bis Montag auf Halbmast gesetzt. Die Stadt plant eine Gedenkveranstaltung.
Niedersachsens Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) würdigte Stern für sein „unermüdliches Engagement für Aufklärung, für Verständigung und gegen Antisemitismus“. Sie erinnerte an seine Rede vor dem Landtag im Jahr 2019. „Trotz schmerzhafter Erinnerungen hat Guy Stern den Kontakt nach Deutschland und nach Niedersachsen immer intensiv gepflegt.“
Guy Stern wurde am 14. Januar 1922 unter dem Namen Günther Stern als Kind einer jüdischen Familie in Hildesheim geboren. Als 15-Jähriger floh er 1937 vor der Nazi-Diktatur in die USA. Seine Eltern und seine beiden jüngeren Geschwister wurden im März 1942 ins Warschauer Ghetto deportiert und schließlich von den Nationalsozialisten ermordet. Bis 1945 diente Stern freiwillig in der US-amerikanischen Armee und schloss sich dort der Spezialeinheit der „Ritchie Boys“ an, einer überwiegend aus Emigranten gebildeten Einheit des Militärnachrichtendienstes.
Nach dem Krieg studierte Stern in den USA Romanistik und Germanistik und lehrte als Professor an verschiedenen Universitäten. Er veröffentlichte Bücher und Sammelwerke, insbesondere zur Exilforschung. Zudem war er Direktor eines Instituts des Holocaust-Museums Detroit.
Stern hatte nach Angaben der Stadt auch die Verbindung nach Hildesheim wieder neu aufgebaut. Regelmäßig habe er bei Vorträgen und Lesungen dort Einblicke in sein Leben gegeben. Zugleich sei er ein scharfer Kritiker rechtspopulistischer Bestrebungen gewesen. Oberbürgermeister Ingo Meyer (parteilos) betonte: „Sein Name ist und bleibt eng mit der Erinnerungskultur und der Geschichtsaufarbeitung in Hildesheim verbunden.“