Berlin (epd). Die Grünen sehen noch Gesprächsbedarf beim von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geplanten Gesetz für schärfere Abschieberegeln. Der Gesetzentwurf sehe Eingriffe in elementare Grundrechte vor, darunter das Recht auf Freiheit, auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf Privatsphäre, sagte die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat bei der ersten Beratung des Gesetzes am Donnerstag im Bundestag. Dies treffe nicht wie oft behauptet nur schwere Straftäter, sondern Schutzsuchende und Geduldete, darunter Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Man wolle daher in den parlamentarischen Beratungen genau prüfen, „ob diese Grundrechtseingriffe gerechtfertigt sind“, sagte Polat. Das Gesetz setze Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz um, Gesetzgeber sei und bleibe aber der Bundestag. „Entscheidungen treffen am Ende wir“, sagte Polat. Auch der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg betonte: „Der Bundestag ist nicht das Erfüllungsorgan der Ministerpräsidentenkonferenz.“ Beide sagten in ihren Reden aber nicht, welche Regelungen in ihren Augen konkret gegebenenfalls noch geändert werden sollen.
Faesers Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage zu verlängern, Abschiebungen nicht mehr vorab anzukündigen und die Befugnisse der Polizei bei Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften zu erweitern. Polat kritisierte unter anderem die geplante Regelung, nach der die Polizei künftig bei einer Abschiebung auch andere Räume als der Betroffenen in einer Gemeinschaftsunterkunft durchsuchen darf. Völlig unbeteiligte Personen müssten künftig damit rechnen, dass ihre Wohnung betreten wird, sagte sie.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem schärfere Strafen für Schleuser, Regeln für das Auslesen von Handys von Asylbewerbern und die Möglichkeit zur Ausweisung mutmaßlicher Mitglieder krimineller Vereinigungen vor, auch wenn sie nicht strafbar geworden sind. Faeser verteidigte ihren Gesetzentwurf, dessen Detailregelungen in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen entstanden sind. Dass diejenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, das Land wieder verlassen, sei eine Voraussetzung dafür, dass Migration insgesamt anerkannt werde, Integration funktioniere und das individuelle Recht auf Asyl geschützt werde, sagte sie.
Auch Redner von SPD und FDP verteidigten den Gesetzentwurf. Man müsse bei der Migration stärker ordnen und steuern, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese. Auf der anderen Seite müsse man sich aber auch der großen Herausforderung der Fachkräftelücke stellen. „Wir brauchen Fachkräfte“, sagte Wiese und verwies dabei auf die geplanten Erleichterungen bei der Einbürgerung, über die der Bundestag ebenfalls am Donnerstag diskutieren wollte. Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sagte, die Ampel-Koalition wolle reguläre Einwanderung erleichtern und irreguläre erschweren. Dies sei eine „Wende in der Asylpolitik“, sagte er.
Die Union äußerte daran Zweifel. Der Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt (CDU) sagte, der Gesetzentwurf enthalte „einige vernünftige Maßnahmen“, komme aber zu spät und werde durch andere Maßnahmen konterkariert, sagte er und kritisierte das bereits beschlossene Chancen-Bleiberecht für langjährig Geduldete und Möglichkeiten für Asylbewerber, unter bestimmten Voraussetzungen bleiben zu können, wenn sie eine Arbeit haben.