Gütersloh, Berlin (epd). Die Diakonie Deutschland konstatiert ein politisches Versagen beim Angebot der Kita-Plätze in Deutschland. „Es ist ein Armutszeugnis, dass zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung noch immer nicht für jedes Kind ein Platz in einer Kita angeboten werden kann“, sagte die Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, am Dienstag in Berlin. Nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung mit Sitz in Gütersloh fehlen fast 430.000 Kita-Plätze in Deutschland. Zudem würden mehr als zwei Drittel der Kinder in Gruppen mit einem „nicht kindgerechten“ Personalschlüssel betreut.
„Eltern werden damit bei der Betreuungsarbeit weiter im Stich gelassen“, kritisierte Loheide. Das bedeute vor allem für Frauen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. „Besonders aber fehlt gerade den Kindern, die es am nötigsten bräuchten, weil sie in Armut aufwachsen, der dringend notwendige Zugang zu Bildungschancen“, betonte sie.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, erklärte, dass die Städte sich „mit großem Engagement für den Ausbau der Kinderbetreuung und die Ausbildung von pädagogischen Fachkräften eingesetzt“ hätten. Dennoch gebe es einen erheblichen Mangel. Um Fachkräfte zu gewinnen, könnten die Länder die Ausbildungskapazitäten erhöhen, sagte Dedy. Auch könnten Quereinsteiger und weitere Beschäftigte wie Verwaltungs- und Haushaltskräfte Chancen sein.
Die Gewerkschaft ver.di forderte, dass sich das Kanzleramt dem Thema annehmen solle. Auch wenn im föderalen System die Bildung Ländersache sei, dürften Platzangebot, Öffnungszeiten, Qualität der frühkindlichen Bildung und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nicht vom Wohn- beziehungsweise Arbeitsort abhängen, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle.
In den westdeutschen Bundesländern gibt es laut dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung 385.900 Kita-Plätze zu wenig, in Ostdeutschland einschließlich Berlin fehlen 44.700 Plätze. Auch die Personalschlüssel unterschieden sich: Im Westen ist eine Vollzeit-Fachkraft rechnerisch für 3,4 unter Dreijährige beziehungsweise 7,7 ältere Kinder zuständig, im Osten für 5,4 beziehungsweise 10,5 Mädchen und Jungen. Für eine „kindgerechte Betreuung“ empfiehlt die Bertelsmann Stiftung eine Vollzeit-Fachkraft für drei Krippenkinder oder 7,5 Kindergartenkinder.
Aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen bestehe für die ostdeutschen Bundesländer jedoch die Chance, bis 2030 ihren Personalschlüssel an das Niveau im Westen anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen, hieß es. Die ostdeutschen Länder müssten „die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kitas mehr Personal beschäftigen können“. In Westdeutschland können demnach Hamburg, Niedersachsen und eventuell Schleswig-Holstein bis 2030 die aktuellen Bedarfe decken und kindgerechte Personalschlüssel erreichen. Im Westen müsse vor allem die Zahl der Plätze ausgebaut werden.
Für ihre Analyse hat die Bertelsmann Stiftung nach eigenen Angaben vor allem Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, des Bundesfamilienministeriums und des Deutschen Jugend-Instituts ausgewertet.