Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einer Frau, die zur Prostitution gezwungen wurde, das Recht auf Entschädigung für entgangenen Lohn zugesprochen. Eine Entschädigung, insbesondere für vorenthaltene Einkünfte, könne den Schaden aufwiegen und Opfern die finanziellen Mittel geben, um ihr Leben wieder aufzubauen, erklärten die Richter am Dienstag in Straßburg. Mit dem Urteil erkennt die Europäische Menschenrechtskonvention erstmals an, dass Opfer von Menschenhandel das Recht haben, Schadenersatz für materielle Schäden zu fordern, heißt es in dem Urteil weiter.
In dem konkreten Fall hatte ein Zuhälter die Klägerin zur Sexarbeit gezwungen und ihr das Geld aus ihrer Arbeit vorenthalten. Die zunächst zuständigen bulgarischen Gerichte hatten der Frau daraufhin eine Entschädigung verweigert. Sie begründeten das damit, dass sie der Prostitution nachgegangen war und die Rückgabe der Einkünfte aus dieser Tätigkeit gegen die „guten Sitten“ verstoßen würde.
Die Bekämpfung des Menschenhandels müsse von einem umfassenden Ansatz geleitet sein, schrieben die Straßburger Richter in ihrem Urteil. Ermittlung und Bestrafung seien für die Abschreckung unerlässlich, könnten aber den materiellen Schaden der Opfer nicht auslöschen. Außerdem dürften Menschenhändler nicht finanziell von ihrer Straftaten profitieren, damit Anreize für Menschenhandel verringert würden, erklärten sie.