Berlin (epd). In den Bundestagsberatungen bekommt das von der Ampelkoalition geplante Selbstbestimmungsgesetz Kritik von mehreren Seiten. In der Sachverständigenanhörung im Familienausschuss erneuerten Kritiker am Dienstag ihre Bedenken gegen das Vorhaben, eine Änderung des Vornamens und Geschlechts künftig per einfacher Erklärung statt wie bisher nach einem aufwendigen Verfahren mit Begutachtungen zu ermöglichen. Kritisch sehen sie vor allem die im Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeiten für Kinder. Auch Befürworter sehen einige Passagen des Entwurfs kritisch, weil sie in ihren Augen einen unzulässigen Generalverdacht insbesondere gegen Transfrauen enthalten.
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz will die Ampelkoalition das Transsexuellengesetz ablösen, das von Betroffenen durch die verpflichtenden Begutachtungen als entwürdigend empfunden wird. Künftig soll es möglich sein, durch eine einfache Erklärung seinen Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern zu lassen. Voraussetzung ist eine dreimonatige Wartefrist. Für Minderjährige bis 14 Jahren können die Eltern eine Änderung des Geschlechts erklären. Ab 14-Jährige können dies selbst erklären, benötigen aber die Zustimmung der Eltern. In Konfliktfällen müsste ein Familiengericht entscheiden.
Nach Kritik von Frauenrechtlerinnen hat die Bundesregierung einen Passus im Gesetzentwurf ergänzt, der auf das Hausrecht verweist. Er reagiert auf Befürchtungen, dass sich Männer, die sich zur Frau erklärt haben, Zugang zu Schutzräumen wie Frauenhäusern verschaffen könnten. Mehrere Frauenrechtlerinnen und Verbände hatten für die Anhörung am Dienstag unaufgefordert Stellungnahmen eingereicht, die diese Befürchtung nochmals unterstrichen.
Die für die Ausschusssitzung von den Grünen eingeladene Frauenrechtsorganisation, der Deutsche Frauenrat, widersprach dieser Vermutung jedoch vehement. Die Formulierung im Gesetzentwurf sei „völlig unnötig und nicht in unserem Sinne“, sagte die Referentin des Verbands, Henrike Ostwald. „Durch das Selbstbestimmungsgesetz sind Frauenschutzräume nicht in Gefahr“, betonte sie. Ostwald kritisierte, der Passus befördere „transfeindliche Narrative“, die insbesondere Transfrauen unterstellten, sich gewalttätig zu verhalten. Zudem suggeriere die Passage, dass trans- und intergeschlechtliche Personen aus Schutzräumen ausgeschlossen werden könnten. Das sei nicht richtig.
Auch Vereine für die Rechte von Transpersonen sprachen sich dafür aus, den Passus zu streichen. In Ländern mit bereits bestehenden Regelungen ähnlich dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz zeige sich, dass es diese negativen Auswirkungen nicht gebe, sagte Richard Köhler vom Verein „Transgender Europe“. „Das Gesetz hilft einigen sehr, während es für die Mehrheit schlicht irrelevant ist“, sagte er.
Der von der Union geladene Genderwissenschaftler Till Randolf Amelung, sagte dagegen, wenn es keine Schutzvorkehrungen gegen Missbrauch gebe, könnte das Vertrauen in die Regelung sinken, was sich wiederum negativ auf die Akzeptanz von Transpersonen auswirken könnte. Er schlug eine Beratungspflicht vor der Änderung des Geschlechtseintrags vor. In der Beratung müsse über die Motivation des Betroffenen gesprochen werden. Mögliche Missbrauchsabsichten könnten so entdeckt werden, sagte er.