Dresden (epd). Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz will bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Betroffene stärker in den Fokus rücken. „Für mich steht im Vordergrund, ihnen zuzuhören“, sagte Bilz am Wochenende auf der Herbsttagung der Landessynode in Dresden. Es sei notwendig, diese Berichte mit Empathie aufzunehmen. Die Betroffenen seien „das Wichtigste“, sie müssten in die Aufarbeitung einbezogen und auch unterstützt werden.
Betroffene hatten wiederholt eine schleppende Aufarbeitung der sächsischen Landeskirche kritisiert und sich gewünscht, vor dem Kirchenparlament sprechen zu dürfen. Bilz dankte ihnen für ihre „Hartnäckigkeit“. Zudem entschuldigte sich der Bischof für Defizite im Aufarbeitungsprozess: „Mir ist bewusst, dass wir ihnen immer wieder nicht gerecht werden. Ich gestehe das ein, es tut mir sehr leid.“
Die Synode hatte am Samstag das Thema sexueller Missbrauch in der Landeskirche auf der Tagesordnung. Dabei kamen auch mehrere Betroffene sexualisierter Gewalt zu Wort. Im Fokus stand der Fall des Chemnitzer Diakons Kurt Ströer (1921-2013). Laut Aussagen von Betroffenen hat dieser jahrzehntelang Kinder und Jugendliche missbraucht.
Der Fall ist Teil einer wissenschaftlichen Studie, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Auftrag gegeben hatte. Ergebnisse werden im Januar erwartet. Die Betroffenen sprechen von spirituellen Abhängigkeiten, körperlichen Handlungen und einer „kruden Theologie“. Bis heute hätten sie unter den Folgen des Missbrauchs zu leiden, berichteten sie vor der Synode.
Der Betroffene Matthias Uhlig forderte: „Die Kirche muss Verantwortung übernehmen“. Es brauche vor allem „Menschen, die uns glauben“ sowie eine gemeinsame Aufarbeitung eines schwierigen Kapitels der Landeskirche. Auch seien Entschädigungszahlungen nochmals zu prüfen.
Laut dem Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes, Hans-Peter Vollbach, hat die Landeskirche bisher 565.000 Euro an 49 Betroffene gezahlt. Einige der Opfer hatten vor wenigen Tagen darüber hinaus Schmerzensgeld gefordert. Zur Aufarbeitung hatte die sächsische Landeskirche 2020 eine Meldestelle eingerichtet. Seitdem wurden nach ihren Angaben 54 Betroffene sowie 25 Beschuldigte erfasst.
Der 1921 geborene Ströer war im damaligen Kirchenbezirk Karl-Marx-Stadt tätig und galt als charismatischer Jugenddiakon. Die sexuellen Übergriffe wurden erst 2021 öffentlich bekannt. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens hat der Synode einen Bericht zur „Theologischen Aufarbeitung des Handelns von Kurt Ströer“ vorgelegt.
Die Synode ist das gesetzgebende Organ der Landeskirche, zu der rund 610.000 Mitglieder zählen.