Leipzig (epd). Sterbewillige, schwerst kranke Menschen dürfen nicht vorsorglich privat Arzneimittel für einen gewünschten Suizid kaufen. Der mit dem Verbot verbundene Eingriff in das Grundrecht, selbst über das eigene Lebensende entscheiden zu können, ist gerechtfertigt und soll den „Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln“ verhindern, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Dienstag in zwei Grundsatzurteilen entschied.
Damit scheiterten zwei Patienten, die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erfolglos die Genehmigung zum Kauf des tödlichen Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital beantragt hatten. (AZ: 3 C 8.22 und 3 C 9.22)
Einer der Kläger leidet an einer arteriellen Hypertonie, einer koronaren Herzkrankheit und einem Burkitt-Lymphom, einer besonders bösartigen Krebsform. Der Krebs konnte zwar nach einer Chemotherapie vollständig zurückgedrängt werden. Falls er jedoch erneut daran erkranke, wolle er mit dem Natrium-Pentobarbital die Möglichkeit haben, seinem Leben ein Ende zu setzen, argumentierte der Kläger. Der zweite Kläger leidet an einer schweren Form der Multiplen Sklerose. Auch er wollte sein Leben selbst beenden können.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hatte Anfang Februar 2022 den Erwerb des tödlichen Arzneimittels abgelehnt (AZ: 9 A 148/21 und 9 A 146/21). Zwar habe das Bundesverfassungsgericht Ende Februar 2020 entschieden, dass nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein „Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“ gewährt werden müsse (AZ: 2 BvR 2347/15 und weitere). Dieses Recht bedeute aber nicht, dass der Staat einem Suizidwilligen die Selbsttötung in der gewünschten Art und Weise ermöglichen soll, urteilte das OVG.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Einschätzung. Nach dem Gesetz könne zur „notwendigen medizinischen Versorgung“ die Genehmigung zum Kauf von Betäubungsmitteln erteilt werden. „Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht“, erklärten die Leipziger Richter. Das generelle Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, habe zudem das legitime Ziel, Missbrauch zu verhindern. Zudem bestehe für die Kläger alternativ die Möglichkeit, „ein Arzneimittel intravenös einzusetzen, das hinsichtlich Wirkweise und Risiken keine wesentlichen Unterschiede zu Natrium-Pentobarbital aufweist“.
Die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta erklärte, das Urteil mache „deutlich, dass wir dringend im Bundestag zu einer Mehrheit für eine Neuregelung der Suizidhilfe kommen müssen“. Auch die FDP-Parlamentarierin Katrin Helling-Plahr betonte, die bestehende Rechstlage sei nicht zufriedenstellend. „Mit klaren Rahmenbedingungen, die das Recht auf selbstbestimmtes Sterben im Einklang mit dem gebotenen Schutz des Lebens achten, wäre den Betroffenen möglicherweise der lange, letztendlich erfolglose Rechtsweg erspart geblieben.“
Um eine gesetzliche Regelung wird gerungen, seitdem das Bundesverfassungsgericht 2020 entschieden hatte, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, sich das Leben und dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Es kippte damit ein pauschales Verbot organisierter Suizidassistenz
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, begrüßte das Leipziger Urteil. Es sei gut, dass das Bundesverwaltungsgericht seine eigene Rechtsprechung revidiert habe. „Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat keinen Auftrag, die Zuteilung von Natrium-Pentobarbital zu regeln. Beamte bekommen also nicht die Aufgabe, über Leben und Tod zu entscheiden.“