Berlin (epd). Das Vorlesen ist ein beliebtes Ritual in Haushalten mit kleinen Kindern, aber nicht in allen: Mehr als einem Drittel der Kinder zwischen einem und acht Jahren wird selten oder nie vorgelesen. Das ist das Ergebnis des Vorlesemonitors 2023, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen selten oder nie vor, sagte die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen in Mainz, Simone Ehmig. Die Studie zeige aber auch, dass Eltern, denen früher selbst vorgelesen wurde, ihren eigenen Kindern häufiger vorlesen.
Demnach bekommen aktuell 63,4 Prozent der Kinder in der Altersgruppe eins bis acht Jahre regelmäßig mehrmals in der Woche vorgelesen. Das sind 2,1 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Zum Vorlesen zählte dabei auch das Betrachten und gemeinsame Anschauen von Bilderbüchern.
Ehmig sprach dennoch von einer prekären Situation bei der Lesekompetenz von Kindern. So verlasse jedes vierte Kind die Grundschule ohne ausreichend Lesekenntnisse.
Die Kommunikationswissenschaftlerin warb dafür, „Bücher und Geschichten in die Familien zu bringen“. Buchgeschenke machten einen Unterschied, vor allem in Familien mit formal niedriger Bildung. Zudem zeige sich, dass Eltern in Kitas und Schulen Buchausleihen nutzen, wenn das Angebot dazu besteht. Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, haben den Angaben zufolge früh einen größeren Wortschatz, lernen leichter lesen, sind einfühlsamer und haben in vielen Fächern bessere Schulnoten.
Bildungsstaatssekretär Jens Brandenburg (FDP) betonte bei der Präsentation der Studie, das Vorlesen sei einer der wichtigsten Bildungsimpulse in der frühen Kindheit. Deswegen sei die Anzahl der Kinder, denen nur selten oder gar nicht vorgelesen wird, alarmierend. Dem versuche das Bundesbildungsministerium etwa mit Förderprojekten wie „Lesestart1-2-3“ entgegenzuwirken.
Für den Lesemonitor 2023 wurden im Mai und Juni 833 Eltern von ein- bis achtjährigen Kindern befragt. Mehr als zwei Drittel der persönlich und mündlich in den Haushalten geführten Interviews erfolgten mit den Müttern (72 Prozent), die übrigen mit den Vätern. Die befragten Eltern wurden dabei repräsentativ nach Alter, Geschlecht, Zuwanderungsgeschichte, Schulabschluss, Familienstand der Mutter und regionaler Verteilung ausgesucht.
Initiatoren der Studie sind neben der Stiftung Lesen die Wochenzeitung „Die Zeit“ und die Deutsche Bahn Stiftung. Seit 2004 rufen sie zum bundesweiten Vorlesetag auf. Der diesjährige 20. Vorlesetag am 17. November steht unter dem Motto „Vorlesen verbindet“.
Die Studie zeigte weiter, dass Eltern, denen selbst vorgelesen worden ist, zu Hause mehr Bücher für ihre Kinder haben und häufiger in einer Bibliothek Bücher für ihre Kinder ausleihen. Zudem hätten sie häufiger Zeitungen oder Zeitschriften abonniert und nutzen häufiger elektronische Bücher und Buch-Apps für ihre Kinder.