Wiesbaden (epd). Die katholische Deutsche Bischofskonferenz will trotz Kritik von Betroffenen an ihrem System für Anerkennungsleistungen für Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche festhalten. Das habe man auf der Herbst-Vollversammlung der Bischöfe beschlossen, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Donnerstag zum Ende des Treffens in Wiesbaden. Die Aufarbeitung von Missbrauch in der katholischen Kirche sei ein holperiger und lernender Weg, betonte er.
Jedoch gehe man infolge eines Urteils des Landgerichts Köln von deutlich höheren Anerkennungsleistungen an Missbrauchsopfer aus. Wenn Zivilgerichte künftig deutlich höhere Schmerzensgelder bei Klagen wegen sexuellen Missbrauchs zusprechen sollten als bisher, sei auch mit einer deutlichen Dynamisierung der Bescheidhöhen für Anerkennungsleistungen, die die katholische Kirche zahlt, zu rechnen, sagte der Limburger Bischof Bätzing.
Das Kölner Landgericht hatte einem Missbrauchsbetroffenen aus dem Erzbistum Köln ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zugesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Bischofskonferenz zahlt freiwillige Anerkennungsleistungen an Betroffene, die sich an der oberen Grenze von Schmerzensgeldzahlungen in vergleichbaren Fällen orientieren. Zuständig für die Zumessung ist die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) unter dem Vorsitz der ehemaligen Richterin Margarete Reske.
Zivilrechtsklagen wie im Kölner Fall und das kircheneigene Verfahren der Anerkennungsleistungen schlössen sich nicht aus, sondern stünden nebeneinander und folgten jeweils eigenen Regeln, sagte Bätzing. Betroffene würden durch das UKA-Verfahren nicht daran gehindert, eine Klage vor den staatlichen Zivilgerichten einzureichen. Außerdem biete das Verfahren sehr niedrige Hürden.
Bätzing betonte nach der Veröffentlichung von Missbrauchsvorwürfen gegen den früheren Essener Bischof Kardinal Franz Hengsbach: Alles müsse auf den Tisch, „auch wenn Denkmäler fallen“. Eine staatliche Wahrheitskommission, wie sie auch viele Betroffene fordern, hält Bätzing derzeit für unwahrscheinlich. Er sehe keine Initiative von politischer Seite dazu.
Die Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch war im vergangenen Jahr neu strukturiert worden. So soll in Zukunft ein Sachverständigengremium die Aufarbeitung auf Ebene der Bischofskonferenz begleiten und beraten. Das Statut für dieses Gremium solle im November verabschiedet werden, sagte Bätzing.
Das Statut sehe vor, dass das Gremium von einer von der Kirche unabhängigen Kommission besetzt werde. Auch der Betroffenenbeirat soll nach diesem Prinzip neu ausgewählt werden. Zwei Mitglieder des Betroffenenbeirats sollen in Zukunft im Sachverständigenrat sitzen.
Schwerpunkt der Vollversammlung der 64 deutschen Bischöfe war auch der Fortgang des Reformprozesses Synodaler Weg, der 2019 infolge der kirchlichen Missbrauchsskandale initiiert worden war. „Der Synodale Weg ist nicht zu Ende“, betonte Bätzing. Zwischenzeitlich stand die Finanzierung des Synodalen Wegs durch die Bischofskonferenz auf der Kippe, weil vier Kritiker des Reformdialogs unter den Bischöfen ein Veto eingelegt hatten. Nun hätten sich wiederum vier Bistümer zur „Gründung eines Rechtsträgers“ bereit erklärt, der die Gelder der 23 Bistümer verwalte, die sich weiterhin an der Finanzierung beteiligen wollten.