Theologe Nikolaus Schneider: Subsidiarität beugt Totalitarismus vor

Theologe Nikolaus Schneider: Subsidiarität beugt Totalitarismus vor

Köln (epd). Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hält die starke finanzielle Beteiligung des Staates an diakonischen Dienstleistungen für sinnvoll und geboten. „Die Selbstorganisation der Gesellschaft wird dadurch gefördert“, sagte Schneider am Donnerstag im Deutschlandfunk anlässlich des 175-jährigen Bestehens der Diakonie. Es tue der Gesellschaft gut, dass diese Dienste von vielen weltanschaulich gebundenen Menschen geleistet werden. Der evangelische Theologe nannte als Beispiele neben der evangelischen Diakonie die katholische Caritas, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und den Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Die Finanzierung des Staates basiere auf dem Subsidiaritätsprinzip. Er finanziere die Dienste, ohne diese steuern zu wollen. „Wenn der Staat den Anspruch erhebt, auf die Seelen der Menschen durchgreifen zu wollen und alles bestimmen zu wollen, dann reden wir von einem totalitären Staat“, sagte Schneider, der von 2010 bis 2014 an der Spitze der EKD stand.

Die Diakonie Deutschland feiert am Freitag ihr 175-jähriges Bestehen. Als Geburtsstunde gilt eine Brandrede des Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern am 22. September 1848 auf dem Kirchentag in Wittenberg. Mit scharfen Worten kritisierte dieser damals die Untätigkeit seiner Kirche angesichts der dramatischen sozialen Lage und der Verelendung großer Teile der Bevölkerung im Zuge der Industrialisierung. Der Theologe forderte seinerzeit ein Netzwerk der „rettenden Liebe“ und läutete damit den Beginn der modernen Diakonie ein.

Heute arbeiten nach Angaben des Verbandes bundesweit mehr als 627.000 Menschen für die Diakonie. In den 33.374 Einrichtungen mit ihren stationären und ambulanten Diensten gibt es demnach gut 1,18 Millionen Plätze und Betten. Damit gehört die Diakonie zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Zu den Diensten der Diakonie gehören Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Sozialstationen, Wohngruppen oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Angebote für Suchtkranke und Obdachlose sowie soziale Beratungsstellen.