Kassel (epd). Wohnsitzlose müssen für den Erhalt von Bürgergeld nicht zwingend eine Postanschrift haben. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in einem am Mittwoch getroffenen gerichtlichen Vergleich erläuterte, sehen sowohl die alten als auch die seit 7. August 2023 geltenden Vorschriften nur vor, dass der Wohnsitzlose für den Anspruch auf Bürgergeld „erreichbar“ sein muss. Es reicht nach Auffassung der Kasseler Richter aus, wenn der Bürgergeldbezieher einmal pro Monat seine Jobcenter-Post bei der Behörde abholt und er nach Möglichkeit telefonisch erreichbar ist. (AZ: B 4 AS 12/22 R)
Im konkreten Fall hatte der wohnsitzlose Kläger sein Arbeitslosengeld II jeden Monat bei der Kasse des Jobcenters Stuttgart abgeholt und dabei auch seine Behördenpost mitgenommen. Über eine Postanschrift verfügt der Mann nicht. Er schläft meist an Bushaltestellen oder in Abbruchhäusern.
Als das Jobcenter ihm mitteilte, dass er seine Post nicht mehr an der Jobcenter-Kasse abholen könne, lehnte der Wohnsitzlose es ab, sich eine Postadresse anzuschaffen. Einen eigenen Briefkasten bei einem christlichen Sozialdienst wollte er auch nicht nutzen. Daraufhin wurde sein Arbeitslosengeld II nicht mehr bewilligt.
Das BSG hatte gegen diese Auffassung Bedenken. Nach der bis zum 31. Juli 2023 geltenden und erst recht nach der aktuellen Neuregelung sei eine postalische Anschrift für den Anspruch auf das frühere Arbeitslosengeld II und das heutige Bürgergeld nicht erforderlich, erklärte das Gericht in einem rechtlichen Hinweis. Es reiche vielmehr aus, dass der Hilfebedürftige „erreichbar“ ist. Daraufhin schlossen Jobcenter und der wohnsitzlose Kläger einen Vergleich, nach der der Wohnsitzlose eine Jobcenter-Nachzahlung in Höhe von 13.000 Euro erhält.