Überfüllte Erstaufnahmelager: Lampedusa ruft den Notstand aus

Überfüllte Erstaufnahmelager: Lampedusa ruft den Notstand aus

Rom (epd). Der Stadtrat von Lampedusa hat den Notstand ausgerufen. Die italienische Mittelmeerinsel stehe wegen der massenhaften Ankünfte von Migranten „unter großem Stress“, sagte Filippo Mannino, der Bürgermeister von Lampedusa, mit Blick auf die Entscheidung des Stadtrates am Mittwochabend. Er forderte von der Regierung in Rom mehr finanzielle und vor allem logistische Unterstützung.

Seit Wochenbeginn waren etwa 8.000 Migranten über das Mittelmeer bis nach Lampedusa gelangt. Allein am Dienstag kamen rund 5.000 an. „Genaue Zahlen kann aber niemand nennen“, sagte die frühere Bürgermeisterin der Insel, Giusi Nicolini, am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nicolini hilft heute als Freiwillige bei der Versorgung der Ankommenden. Die Migranten legten nicht nur an der Mole der Insel an, viele landeten mit ihren Booten auch an den Stränden der Insel.

Die Erstaufnahmelager von Lampedusa, die für nur etwa 400 Menschen ausgelegt sind, waren auch am Donnerstag noch mit zeitweise 6.800 Personen komplett überfüllt. Bei der Verteilung von Essen und Trinken an die Migranten sei es zu chaotischen Szenen gekommen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Im Laufe des Tages wurden mehrere Hundert Migranten mit Booten ans italienische Festland gebracht.

Die Situation sei auch deshalb unvergleichlich, sagt Nicolini, weil derzeit noch touristische Hochsaison sei. „Neben den 6.000 Einwohnern haben wir derzeit auch noch 18.000 Besucher auf der Insel“, sagt sie. Während diese beim Essen im Restaurant säßen, liefen Gruppen von Migranten durch die Straßen, die auf der Suche nach Essen seien. „Die Lage ist einfach absurd.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stehe in Kontakt mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, um eine Einschätzung der Lage zu erhalten und herauszufinden, wie die EU Hilfe leisten könne, sagte EU-Kommissionssprecherin Anitta Hipper am Donnerstag laut der Nachrichtenagentur Ansa. Die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico, Elly Schlein, forderte ein „europäisches Mare Nostrum“. Unter diesem Namen hatte die italienische Regierung im Oktober 2013 nach der Tragödie vor Lampedusa, bei der mehr als 360 Migranten ums Leben gekommen waren, eine Rettungsmission von Marine und Küstenwache gestartet.

Am Dienstag hatten in Italien außerdem Berichte für Schlagzeilen gesorgt, dass Deutschland den so genannten freiwilligen Solidaritätsmechanismus ausgesetzt hat. Damit ist das Programm zur Umsiedlung von bis zu 8.000 Migranten aus von der Migration besonders betroffenen EU-Staaten in andere gemeint. Deutschland hatte sich im Juni 2022 verpflichtet, bis zu 3.500 Menschen aufzunehmen.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sagte am Donnerstag in einem Interview mit Rai1, „die Frage der Umsiedlung ist zweitrangig“. Die Frage sei vielmehr, die Ankünfte in Italien zu stoppen, sagte Meloni. „Dafür sehe ich noch immer keine konkreten Antworten.“ In den vergangenen Monaten seien nur wenige Menschen von anderen EU-Staaten aufgenommen worden.