Katholischer Theologe sieht Christentum vor neuer Reformation

Katholischer Theologe sieht Christentum vor neuer Reformation

Krakau (epd). Der katholische Theologe und frühere Präsidentenberater Tomáš Halík sieht das Christentum vor einer neuen Reformation für das 21. Jahrhundert. Sie müsse „die gegenwärtigen Formen und Grenzen des Christentums“ überschreiten, sagte Halík auf der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) am Donnerstag im polnischen Krakau. Er forderte, dass eine neue Reformation sich gegen einfache Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart zur Wehr setzen müsse.

Halík beriet den ersten tschechoslowakischen Präsidenten nach dem Fall des Kommunismus, Václav Havel. Heute ist er Soziologie-Professor und Leiter der Fakultät für Religionswissenschaften an der Prager Karlsuniversität. Er hat zahlreiche Auszeichnungen für sein Engagement für Menschenrechte, Religionsfreiheit und interreligiösen Dialog erhalten.

Halik forderte die lutherische Kirchengemeinschaft auf, „Zeuginnen und Zeugen der fortdauernden Auferstehung dessen zu sein, der uns Hoffnung gibt“. Es gelte, sich für eine spirituelle Erneuerung einzusetzen, die über nationale, soziale oder kulturelle Grenzen hinausgehe. Der Theologe erinnerte daran, dass die Kirche immer wieder reformiert werden müsse, „gerade in Zeiten großer Veränderungen und Krisen“. Reformation sei notwendig, sagte er, „wo die Form den Inhalt behindert, wo sie die Dynamik des lebendigen Kerns hemmt“.

Im 20. Jahrhundert, unterstrich Halík, „begannen zwei große parallele Reformationen - die weltweite Ausbreitung der Pfingstbewegung und das Zweite Vatikanische Konzil.“ Letzteres stehe für den Wandel der katholischen Kirche von konfessioneller Geschlossenheit zu universeller ökumenischer Offenheit.

Auf dem Programm der 13. LWB-Vollversammlung stehen auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, globale Gerechtigkeitsfragen, etwa mit Blick auf den Klimawandel, Armut und Hunger sowie die Rechte von Frauen und Kindern. Das Thema der Vollversammlung, die am Dienstag endet, lautet „Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung“. Der LWB umfasst 150 Mitgliedskirchen mit 77 Millionen Gläubigen.