Berlin (epd). Deutschland hat die freiwillige Übernahme von Flüchtlingen aus Italien gestoppt. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin mitteilte, ist Italien Ende August darüber informiert worden, dass bis auf Weiteres keine Teams mehr in das Land geschickt werden, um Interviews zu führen, die die Aufnahmen vorbereiten. Begründet wurde dies damit, dass Italien seit einiger Zeit bereits Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren nicht mehr annehme und es in Deutschland in vielen Kommunen eine angespannte Situation bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen gebe. Über den freiwilligen Mechanismus hat Deutschland bislang etwa halb so viele Flüchtlinge aus südeuropäischen Ländern aufgenommen wie im vergangenen Jahr zugesagt.
Der Solidaritätsmechanismus war im Juni vergangenen Jahres zwischen einigen EU-Ländern, darunter Deutschland, vereinbart worden. Deutschland hatte nach Angaben des Bundesinnenministeriums die Übernahme von bis zu 3.500 Flüchtlingen aus Mittelmeer-Anrainer-Staaten zugesagt. Rund 1.700 sind demnach seitdem aufgenommen worden, davon rund 1.000 aus Italien und 670 aus Zypern. Aus Malta gab es keine Übernahmen. Deutschland sei seiner humanitären Verantwortung gerecht geworden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Auch unter Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) gab es bereits freiwillige Aufnahmen von aus Seenot geretteten Migranten, allerdings in kleinerer Zahl.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt darauf, dass Italien wieder Rücküberstellungen nach der Dublin-Regelung zulässt. Nach der Dublin-Regelung ist der EU-Staat für Aufnahme und Versorgung eines Flüchtlings zuständig, über den dieser eingereist ist. Das sind in aller Regel die EU-Grenzstaaten wie Italien, Malta oder Griechenland. Reisen Asylbewerber weiter, können die Länder Flüchtlinge dorthin zurückschicken. Dafür müssen die betreffenden Staaten aber ihr Einverständnis erklären.
Bei mehr als 12.400 Überstellungsersuchen in diesem Jahr seien nur zehn Überstellungen erfolgt, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Deswegen würden die Vorbereitungen für weitere freiwillige Übernahmen aus Italien nun ausgesetzt. Übernommen werden sollen aber auch weiterhin diejenigen Schutzsuchenden, mit denen bereits Interviews geführt wurden, hieß es.
In Italien sind in diesem Jahr wieder mehr Schutzsuchende über das Mittelmeer angekommen. Laut Zahlen des Innenministeriums in Rom waren es bislang bereits rund 120.000 Migranten und damit mehr als im gesamten Vorjahr (105.131).
Einem Bericht der Nachrichtenagentur Ansa von Mittwochmorgen zufolge sind auf der Insel Lampedusa innerhalb von 24 Stunden allein mehr als 100 Boote mit Flüchtlingen und Migranten angekommen. Die Erstaufnahmeeinrichtung der Insel war demnach am Dienstagabend erneut mit mehr als 4.000 Personen komplett überfüllt. In den italienischen Medien waren Bilder zu sehen, wie die vollbesetzten Boote vor der Anlegemauer im Hafen in einer Schlange warteten. Man benötige dringend „ein Aufnahmesystem für die Boote im Hafen und eine schnelle Überstellung der Migranten auf das Festland“, sagte der Bürgermeister von Lampedusa, Filippo Mannino.