Berlin (epd). Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, beklagt mangelndes Vertrauen in die Reformbereitschaft seiner Kirche. Die Bereitschaft zu tiefgreifender Umkehr werde der katholischen Kirche vielerorts nicht geglaubt, sagte Bätzing am Montagabend beim St. Michael-Jahresempfang seiner Kirche in Berlin. Am unbedingten Willen zur Aufarbeitung werde nach wie vor gezweifelt. „Das Kernproblem ist die Glaubwürdigkeit“, sagte der Limburger Bischof und verwies auf Fälle sexualisierter Gewalt in der Kirche und den Umgang der Institution damit.
Angesichts des Zustands der katholischen Kirche möge sich der eine oder die andere schon fragen, ob man zum Empfang der Katholiken gehen solle, sagte Bätzing in der Ansprache zum Jahresempfang, zu dem als Gast unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gekommen war. Zudem verwies Bätzing auf den allgemeinen Trend der Entkirchlichung. Die Fähigkeit der Kirche, Menschen für das Evangelium zu gewinnen und Orientierung zu geben, nehme mit jeder Generation ab. „Der Glaube an Gott droht zu verdunsten“, sagte der Limburger Bischof.
Dennoch rief er zu weiterem Engagement der Kirchen für die Gesellschaft auf. Nur zusammen bewältige man die gegenwärtigen Krisen und könne die gesellschaftlichen Erosionsprozesse aufhalten. Hier säßen Politik und Kirche in einem Boot. Auch wenn man der Kirche diese Form der Integrationsleistung nicht mehr selbstredend zuerkenne, „werden wir nicht müde, genau diese Leistung für die Gesellschaft zu erbringen“, sagte Bätzing.
Beim St. Michael-Empfang empfängt der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, jährlich Gäste aus der Bundespolitik und aus Religionsgemeinschaften. Gastredner war der Apostolische Nuntius bei der Europäischen Union, Noël Treanor, der vor Falschnachrichten und der Beeinflussung von Algorithmen im politischen Wettbewerb warnte.
Treanor sprach von „digitaler Manipulation“, vor der die Demokratie geschützt werden müsse. Alle seien aufgerufen, präzise mit Fakten umzugehen, Komplexität nicht zugunsten der eigenen Meinung praktisch zu verkürzen, sondern sie besser zu kommunizieren und zu erklären, sagte er und nannte als Beispiel die europäische und deutsche Energie- und Wärmewende. Politik lebe von vitalen Diskussionen und unterschiedlichen Bewertungen. „Sie verliert aber den Boden unter den Füßen, wenn wir uns nicht mehr auf die Fakten einigen können, auf deren Basis unsere Repräsentanten ihre Entscheidungen treffen müssen“, mahnte der katholische Theologe.