Berlin, Guatemala-Stadt (epd). In Guatemala hat die Wahlbehörde die Partei des künftigen Präsidenten Bernardo Arévalo, Movimiento Semilla, suspendiert. Zugleich erkannte das Oberste Wahlgericht (TSE) Arévalo am Montag (Ortszeit) offiziell als Sieger der Stichwahl ums höchste Staatsamt vom 20. August an. Arévalo nannte die Suspendierung seiner Partei eine „illegale Entscheidung“ und sprach von „politischer Verfolgung“.
Der Beschluss, Movimiento Semilla (Saatkornbewegung) zu suspendieren, beruht auf einem Antrag des Staatsanwalts Rafael Curruchiche und der Entscheidung des Richters Fredy Orellano. Beide stehen in den USA auf der Liste korrupter und antidemokratischer Persönlichkeiten. Orellano hatte bereits vor der Stichwahl verfügt, dass die Partei suspendiert werden müsse. Diese Anordnung wurde nun umgesetzt.
Am Montag wurde zudem Claudia González, die Verteidigerin des exilierten früheren Antikorruptions-Staatsanwalts Juan Francisco Sandoval verhaftet. Die Anwältin arbeitete für die UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (Cicig), die 2019 des Landes verwiesen wurde. González wird Missbrauch ihres Amtes vorgeworfen, was sie vehement ablehnt. Die UN äußerten sich besorgt über das Vorgehen der Justizbehörden. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, erklärte, die Justiz verliere ihre Glaubwürdigkeit mit Maßnahmen wie der Verhaftung von González. Auch die Suspendierung von Movimiento Semilla verurteilte die OAS.
Der künftige Präsident Arévalo setzt sich seit Jahren gegen Vetternwirtschaft ein. Seine Partei entstand aus einer Antikorruptionsbewegung von 2015. Bei der Stichwahl erhielt er laut amtlichem Endergebnis 60,9 Prozent der Stimmen, während die Kandidatin der zentristischen UNE-Partei, Sandra Torres, ledigilich auf 37,2 Prozent kam. Torres kündigte am Wochenende an, das Ergebnis nicht anzuerkennen und warf dem Wahlgericht Betrug vor.
Konservative Kräfte hatten nach Arévalos unerwartet gutem Abschneiden bei der ersten Wahlrunde im Juni versucht, seine Partei suspendieren zu lassen und seine Teilnahme an der Stichwahl zu verhindern. Als dies nicht gelang, zweifelten neun Parteien die Rechtmäßigkeit der Stichwahlen an und setzten eine Neuauszählung durch, die aber kein anderes Ergebnis ergab.
Arévalo soll am 14. Januar vereidigt werden. Angesichts der zahlreichen Versuche, seine Präsidentschaft zu verhindern, gibt es Sorge, ob er das Amt tatsächlich wird übernehmen können. Arévalo selbst ist optimistisch. Am Montag sprach er von einem „historischen Moment“ und dem Beginn eines „neuen demokratischen Frühlings“.
In Guatemala gehen Regierungen seit Jahren gegen die Opposition und Kritikerinnen und Kritiker der grassierenden Korruption vor. Auch gegen die UN-Kommission Cicig, die unter anderem 2015 den Rücktritt des damaligen Präsidenten Otto Pérez Molina erwirkte, gab es heftigen Widerstand von Seiten der Politik, bis sie das mittelamerikanische Land verlassen musste. Der noch amtierende Staatschef Alejandro Giammattei geht ebenfalls mit Hilfe der Justizbehörden massiv gegen Oppositionelle vor. Mindestens 50 Juristen, Journalisten und Aktivisten sind ins Exil geflüchtet. Giammattei selbst steht unter Verdacht, in Korruptionsfälle verwickelt zu sein.