Papst Franziskus träumt von Europa als "Herz des Westens"

Papst Franziskus träumt von Europa als "Herz des Westens"
In seiner ersten Rede bei seinem Besuch in Lissabon zum Weltjugendtag fordert Papst Franziskus die Europäische Union zu mehr Engagement auf: "Die Welt braucht das wahre Europa".

Rom, Lissabon (epd). Papst Franziskus ist am Mittwoch in Lissabon zum Weltjugendtag eingetroffen. In seiner ersten Rede vor der portugiesischen Staatsspitze und Vertretern aus Politik, Kultur und Gesellschaft sagte Franziskus, er hoffe, dass der Weltjugendtag für den „alten Kontinent“ ein Impuls weltweiter Öffnung werde. „Denn die Welt braucht Europa, das wahre Europa: Sie braucht seine Rolle als Brückenbauer und als Friedensstifter in dessen östlichem Teil, im Mittelmeerraum, in Afrika und im Nahen Osten.“

Es sei besorgniserregend zu lesen, dass an so vielen Orten ständig finanzielle Ressourcen in Waffen investiert würden, statt in die Zukunft der Kinder, sagte Franziskus. „Ich träume von einem Europa als dem Herzen des Westens, das seinen Einfallsreichtum dafür einsetzt, um Kriegsherde zu löschen und Lichter der Hoffnung zu entzünden; ein Europa, das es versteht, seine junge Seele wiederzuentdecken, das von der Größe des Zusammenseins träumt und über die Bedürfnisse des Augenblicks hinausgeht; ein Europa, das Völker und Menschen einbezieht, ohne ideologischen Theorien und Kolonialisierungen hinterherzulaufen.“

Es scheine, führte der Papst in seiner Rede weiter aus, dass die weltweiten Ungerechtigkeiten, die Kriege, die Klima- und Migrationskrisen schneller voranschritten als die Fähigkeit und oft auch der Wille, diesen Herausforderungen gemeinsam entgegenzutreten.

Mit Blick auf aktuelle politische Entwicklungen bei den Themen Migration und Sterbehilfe fragte der Papst: „Wohin steuert ihr, Europa und Westen, mit der Ausgrenzung älterer Menschen, den Mauern mit Stacheldraht, den Massakern auf See und den leeren Wiegen? Wohin steuert ihr, wenn ihr angesichts des Leidens im Leben oberflächliche und falsche Heilmittel anbietet, wie den einfachen Zugang zum Tod, eine Bequemlichkeitslösung, die lieblich erscheint, aber in Wirklichkeit bitterer ist als das Meereswasser?“

Das vielerorts herrschende Klima des Protestes und der Unzufriedenheit nannte Papst Franziskus einen „fruchtbaren Boden für verschiedene Arten des Populismus und Verschwörungstheorien“. Der Weltjugendtag sei eine Gelegenheit, etwas gemeinsam aufzubauen. „Er lässt den Wunsch aufleben, Neues zu schaffen, in See zu stechen und gemeinsam in die Zukunft zu steuern.“ Als die „drei Baustellen der Hoffnung“, an denen gemeinsam gearbeitet werden könne, nannte Franziskus die Umwelt, die Zukunft und die Geschwisterlichkeit.

Der erste öffentliche Auftritt des Papstes bei dem Glaubensfest vor den Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus aller Welt ist für Donnerstagabend geplant. Bei einer Willkommenszeremonie im Park Eduard VII. will sich Franziskus mit einer Ansprache an die mehr als 350.000 Teilnehmer des Weltjugendtages wenden. Der Besuch in Portugal ist die 42. Auslandsreise des Papstes.

Er ist noch bis zum Ende des Weltjugendtages in Lissabon. Auf seinem Programm steht unter anderem auch ein Besuch des Papstes der Wallfahrtsstätte Fatima, wo er mit kranken Jugendlichen den Rosenkranz beten wird. Am Samstagabend ist außerdem eine Abendandacht im Tejo-Park geplant. Am Sonntagmorgen will Franziskus dort eine Messe feiern. Das Treffen steht unter dem Leitwort „Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg“. Bisherige Weltjugendtage fanden unter anderem in Panama (2019), Krakau (2016), Rio de Janeiro (2013), Madrid (2011), Sydney (2008) und Köln (2005) statt.