Mehrheit der Deutschen will individuelles Recht auf Asyl erhalten

Mehrheit der Deutschen will individuelles Recht auf Asyl erhalten
Das individuelle Recht auf Asyl in der EU hat bei den Deutschen Rückhalt. Eine Mehrheit wendet sich gegen Forderungen, es abzuschaffen. Der Historiker Spanos wertet Forderungen danach als Parteistrategie.

Berlin (epd). Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet einer Umfrage zufolge das individuelle Recht auf Asyl und lehnt Forderungen nach seiner Abschaffung ab. Wie eine am Dienstag veröffentlichte Befragung im Auftrag des Magazins „Stern“ ergab, wollen fast zwei Drittel (64 Prozent) der Deutschen, dass politisch Verfolgte weiter individuell Schutz in der EU beantragen können. Nur 32 Prozent unterstützen demnach den Vorschlag des CDU-Politikers Thorsten Frei, dies abzuschaffen und durch Kontingente in der EU zu ersetzen. Freis Vorschlag war auch in anderen demokratischen Parteien und Verbänden auf Widerstand gestoßen.

Der Umfrage zufolge lehnen auch Anhänger und Anhängerinnen von CDU und CSU den Vorschlag mehrheitlich (56 Prozent) ab. Sehr deutlich ist den Angaben zufolge die Ablehnung bei Sympathisanten der Grünen (88 Prozent), der FDP (84 Prozent) und der SPD (76 Prozent). Nur bei Anhängern der AfD befürworte eine Mehrheit von 56 Prozent die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl in der EU. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa hat im Auftrag der RTL-Gruppe nach deren Angaben in der vergangenen Woche 1.001 Menschen befragt.

Nach Ansicht des Historikers Jonathan Spanos war Freis Vorschlag „parteistrategische Symbolik“. Es gehe dabei in erster Linie um Symbolpolitik und Identitätsfragen, sagte Spanos dem epd. „Diskussionen über den Asylartikel im Grundgesetz muss man als Identitätsdebatten über das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft verstehen“, erläuterte er.

Blicke man als Zeithistoriker auf das Thema, komme der Vorschlag nicht überraschend. „Wenn man sich mit den Asyldebatten der 70er bis 90er Jahre beschäftigt, sieht man, es ist ein wiederkehrendes Thema“, sagte Spanos. Die Grundfrage, ob man das individuelle Asylrecht schleifen oder abschaffen möchte, sei schon in den 80er Jahren intensiv verhandelt worden. Schon damals hätten einige den Eindruck gehabt, dass das Asylsystem sich in der Krise befunden habe. Schon ab Mitte der 80er sei in Wahlkämpfen von verschiedenen Unionspolitikern die Forderung erhoben worden, das individuelle Asylrecht abzuschaffen.

Frei, der Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag ist, hatte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (18. Juli) dafür plädiert, das Individualrecht auf Asyl in der Europäischen Union abzuschaffen. Stattdessen solle es Kontingente geben, bei der die EU jährlich bis zu 400.000 Schutzbedürftige aufnimmt.